Schweizer IZA am Scheideweg

Im neuen Plan soll Lateinamerika weggelassen werden. Geht es uns nichts mehr an? Bild: Hafenstadt Buenaventura, Kolumbien.

Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen.

Der folgende Text ist heute am 28. Juni 2019 leicht gekürzt als Gastkommentar in der NZZ erschienen. Wir erwogen kurz, ihn mit dem Titel „Bad Governance bei der Schweizer IZA“ zu überschreiben, was in unseren Augen eine gute Zusammenfassung der Zustände wäre.. Wir entschieden uns dagegen, weil uns die Perspektive, eine Verbreiterung des IZA-Gedankens unter NGOs und in der Öffentlichkeit anzustreben, wichtiger erschien.

Wir würden uns eine rege Debatte und selbstverständlich auch Kommentare hier wünschen. Gerne hätten wir Rückmeldungen von NGOs, die am Entstehen einer möglicherweise gemeinsamen Stellungnahme zur Vernehmlassung interessiert sind:

Am 2. Mai hat der Bundesrat den Bundesbeschluss zum Vierjahresplan 2021-24 zur Entwicklungszusammenarbeit (IZA) in die Vernehmlassung geschickt. 40 Jahre lang war das eine Routineangelegenheit. Auch der Etat ist stetig angewachsen, auf inzwischen rund 3 Milliarden/Jahr.

Warum nun eine Vernehmlassung? Wurden die bisherigen Anträge nicht jahrzehntelang im Parlament abgenickt, weil Ziele und geleistete Arbeit für alternativlos richtig galten?

Erstmals seit 1976 sollen sich nun breite „interessierte Kreise“ äussern können. Nicht mehr einzig die „üblichen Verdächtigen“. Hintergrund kann nur ein Unbehagen sein, sodass endlich jemand mehr wissen will. Wird wirklich das Bestmögliche getan? Die Frage ist nur zu berechtigt, angesichts der Weltlage und bisheriger Erfahrungen ist es höchste Zeit, die Routine zu durchbrechen. Wie weiter mit der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?

Die vorgestellten Thesen werden noch zu reden geben. Hoffentlich äussern sich viele, die das Thema kennen, aber nie gefragt wurden. Dazu zählen namentlich die vielen kleinen Hilfswerke, die bis jetzt ohne öffentliche Hilfe tätig waren. Die Frist läuft bis 23. August. Man sollte sie nutzen, denn dass nach 43 Jahren erstmals eine öffentliche Debatte zu Inhalten und Vorgehen in der IZA gewagt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur: das Problem besteht im System selber. Nicht im EZA-Gesetz von 1976. Es ist kurz und hält in Grundzügen fest, was noch heute gelten darf.

Die Verordnung zum Entwicklungshilfegesetz hat ein Königreich geschaffen

Der Fehler liegt in der bundesrätlichen Verordnung von 1977 dazu. Sie bestimmt gleich im ersten Artikel, welche Bundesämter zuständig sein sollen, samt breitesten Kompetenzen. Dies ist in erster Linie die damals neu zu gründende heutige DEZA. Staatspolitisch naiv, weil ohne wirksame checks und balances, aber bei wenigen Millionen jährlich vielleicht verständlich.
Was wurde daraus? Fazit nach 40 Jahren: Mit der Vervielfachung des Budgets und daraus folgenden Verflechtungen hat sich dieses obrigkeitsgläubige Konzept nicht nur überlebt, sondern in einer Weise pervertiert, wie man es sonst nur aus autoritären Staatsgebilden kennt: Ein abgeschottet unnahbarer Apparat ist entstanden. Er kontrolliert die gesamte IZA-Tätigkeit und die Finanzen dazu. Mit Blick auf den Kranz der davon abhängigen NGOs und Institutionen sieht das demokratisch aus, aber nur ganz Wenige haben die Kontrolle: Die „Behörde“ bestimmt nach Gutdünken, wer Aufträge erhält und wer nicht, welche NGOs und Institute Beiträge bekommen, und immer: wieviel an Geldern wo zugeteilt wird. Alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wer nicht spurt, bekommt nichts. Fokus sind nicht Länder in Not, sondern Interessengruppen in der Schweiz: Wo es passt, werden scheinbar eigenständige NGOs gegründet, etwa zum Zweck der Geldverteilung in ausgewählten Regionen. Andere werden still und leise fusioniert, wenn sie trotz Bundesmillionen nicht zurechtkommen. Man setzt die eigenen Leute auf Positionen in internationalen Organisationen wie OECD, Weltbank, usw. und nimmt Einfluss auf die Bestallung zahlloser Forschungs- und Lehrpositionen. Wen wundert, dass all die Beglückten stets das Loblied der Schweizer IZA singen? Anderes hätte unverzüglich Streichung von Geldern oder das Ende der Karriere zur Folge. Trotz feudaler Strukturen hat es die DEZA fertiggebracht, in der Schweiz als Inbegriff guter IZA schlechthin zu erscheinen.

Die jetzt vermeintlich neuen Ziele werden nichts ändern. Der Staat im Staate bleibt. Und dies in der zutiefst demokratischen Schweiz? Anderswo gelten dergleichen Zustände als typisch für „Bad Governance“. Sind zu viele für die Missstände blind, weil sie immer noch an den Mythos der „humanitären Schweiz“ glauben wollen?

Die gute Nachricht ist: Der Bundesrat könnte die Verordnung in Eigenregie jederzeit so ändern, dass ein brauchbares Konzept daraus würde. Ein solches sollte sachgerechtere Rahmenbedingungen schaffen zum Vollzug des Gesetzes: Niedrigere Hürden zur Beteiligung breiterer Kreise, Gewaltenteilung und wesentlich mehr Transparenz. Ämter wie die bisher fast alles bestimmende DEZA bekämen klare Aufgaben: Verwaltungstechnische Betreuung und Koordination.

Wir brauchen IZA. Unseretwegen

Internationale Zusammenarbeit ist nicht ein banales Routinegeschäft wie viele, das an eine Verwaltungseinheit ausgelagert und dann vergessen werden kann. Sie ist, mindestens so sehr wie die Lösung der Klimaproblematik und weiterer grosser Herausforderungen, eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht, denn sie ist mit allem anderen verbunden. Dabei hilft, vielfache Beziehungen zu anderen Ländern und ihren Menschen zu pflegen. Es täte unserem politischen Diskurs dringend gut, wenn mehr Menschen hier die Wechselwirkungen mit dem Leben Ungezählter in anderen Erdteilen besser verstehen könnten. Und was kann solches Verständnis mehr fördern, wenn nicht konkrete Auseinandersetzung vor Ort?

Medien und Internet liefern viele, auch falsche Bilder und Interpretationen. Wir brauchen mehr denn je einen sicheren inneren Kompass, um uns im Widerstreit der Ideologien zurechtzufinden und uns zu behaupten. Nicht weil wir technisch und moralisch überlegen sind, braucht es IZA. Es sind wir alle, die diese brauchen, um uns der Realität am anderen Ende der Welt auszusetzen und so die Bodenhaftung zu bewahren. Unsere Gelder und Technologien sind der kleine Preis, den wir zahlen. Es sollte uns daran gelegen sein, dass möglichst viele aus unserem Land im Lauf unserer beruflichen Laufbahn wenigstens zwei, drei Jahre weit weg von unserem Dunstkreis in der Ferne mit dem auseinandersetzen, was dort Sache ist.

Verzetteln wir uns!

Damit etwas besser wird, braucht es Vielfalt und Widerspruch. Und zwar hier bei uns. Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen. Wir sollten lernen, IZA hierzulande auf eine viel breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. Mehr Beteiligte, mehr an dringend benötigten Ideen. Es gibt Viele, die bereit wären sich zu engagieren, wenn sie nur Gelegenheit und Anleitung hätten. Beteiligen wir sie, es ist möglich. DEZA & Co. sind nicht der Vatikan, und ihre Experten sind ebensowenig unfehlbar wie der Papst.

Wo bleibt die Debatte?

Wo sind also die Journalisten, die es wagen, weiterzufragen, auch wenn man ihnen bedeutet, Kritik könnte der eigentlich „guten Sache“ schaden? Wo sind die Mitarbeitenden, die nicht aus Angst um ihre Karriere schweigen, wenn sie Unstimmigkeiten und Fehlentwicklungen sehen? Wo sind die Experten, die nicht auf Folgeaufträge schielen, sondern ihrem Auftraggeber klipp und klar zu sagen wagen, wenn ein Projekt nichts taugt? „Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!“

Für neue Ansätze in der IZA

Erfreulicherweise gibt es nach und nach Leute, die es wagen, die Unfehlbarkeit der derzeitigen Entwicklungsbranche anzuzweifeln. Einer davon ist Toni Stadler, der in der NZZ einiges Bedenkenswerte geäussert hat:

https://www.nzz.ch/schweiz/einsichten-eines-globalen-nomaden-ld.1414154

Mein Leserbeitrag kam zu spät, darum noch hier:

Erfrischend, dass da einer mit Erfahrung von innen kommt und einiges an Dogmen in Frage stellt, mit denen in der Entwicklungsbranche nur zu gern operiert und neue Ansätze unterbunden werden: „Erbschuld“ des Westens, Migration als „Lösung“, Respekt“ vor Ideologien und menschenfeindlichen religiösen Vorschriften usw.

Ich wünsche mir die Fortführung dieser überfälligen Debatte, die Ideen von Herrn Stadler sind dabei ein erfreulicher Anstoss, wenn auch hoffentlich nicht das letzte Wort!

Jan Stiefel

Effektiver Altruismus, Give Directly et al.

In den vergangenen Jahren hat man immer wieder gehört vom  „effektiven Altruismus“ und von Organisationen wie „Give Well“ oder „Give Directly“. Wir werden seither immer wieder zu unserer Meinung dieser „Bewegung“ gegenüber gefragt. Hier beispielhaft Interviewfragen, gestellt im Januar 2018 von einer Schweizer Uni-Absolventin für ihre Bachelor-Arbeit.

Interviewfragen –  IDEAS Aid Raiting

Vorbemerkung AidRating: Wir betrachten in erster Linie Transparenz und Wirkung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA), d.h. der Tätigkeiten, die zu einer besseren Bewältigung des Lebensumfeldes in „Entwicklungsländern“ durch die Menschen dort führen sollen. Die Antworten beziehen sich stets auf diese Grundvoraussetzung.

Spenden

  1. Sie messen NGO’s nach Ihrer Transparenz und Qualität. Wie sehen Sie die derzeitige Situation im Schweizer Spendenmarkt? Sind die Hilfswerke gut aufgestellt, ist Ihre Wirkung transparent?

Wir messen die Transparenz, nicht die „Qualität“. Letztere sollte Gegenstand der Debatte werden, ermöglicht durch Kenntnis der Ziele und Tätigkeiten -dank „Transparenz“.

Die Berichterstattung der grossen Hilfswerke war nie besonders transparent, am wenigsten wenn finanziert von der DEZA, also der staatlich kontrollierten EZA. Das konnten wir schon vor Jahren statistisch belegen (LINK)

Man muss annehmen, dass weniger an wünschbarer Wirkung erzielt wird als behauptet. Die grossen und bekannten Hilfswerke hängen inzwischen fast völlig von der DEZA ab, Spenden spielen eine immer geringere Rolle.

Es gibt aber viele kleine und kleinste Hilfswerke, wo oft mit viel Herzblut und Redlichkeit versucht wird, zu helfen. Obwohl sie oft Knowhow und Finanzen gut gebrauchen könnten, bleiben sie bei der undurchsichtigen staatlichen Geldzuteilung meistens aussen vor.

 

  1. Glauben Sie, dass die Mehrheit von NGO’s momentan genug effektiv agieren? Braucht es Ihrer Meinung nach eine evidenzbasierte Wirkungsmessung?

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Bei Hilfswerken unter DEZA-Einfluss: Nein. Je mehr staatliche Gelder, desto träger werden sie. Bei anderen: Können fallweise gute Arbeit leisten.Da die führenden Agenturen hier keine taugliche Richtschnur bieten, muss das im Einzelfall ermittelt werden.

Zum zweiten Teil:

  1. Wirkungsmessung oder besser –abschätzung aufgrund von geeigneten Indikatoren wäre gut und zu fördern.
  2. „Evidenzbasierte“ Wirkungsmessung, wie sie jetzt als Modebegriff kursiert, ist untauglich, solange dabei gezielt und damit unzulässig vereinfacht wird: Ohne angemessene Grundlage, also willkürlich werden Einzelaspekte herusgepickt, in Zahlen verwandelt und als Erklärung für komplexe Gesamtzusammenhänge ausgegeben. Es handelt sich um klassische Pseudowissenschaft, die Verwirrung stiftet und hoffentlich bald wieder verschwindet.

 

  1. Sehen Sie einen Handlungsbedarf, um eine evidenzbasierte Entwicklungshilfe mit Wirkungsstudien zu fördern? Oder glauben Sie weniger, dass Wirkungsstudien sinn machen?

Wenn es um Indikatoren wir unter 2 a) erörtert: Ja, kann nützlich sein. Am besten aber ist es, wenn in den Projekten selber schon ein Wirkungsmonitoring eingeplant ist. Wenn zu b) gehörig: Irreführend. Schnellstmöglich auf den Kehricht damit.

 

  1. Sehen Sie es positiv, dass es schon nur in der Schweiz eine so hohe Anzahl an Hilfswerken gibt?

Ja Vielfalt bringt Zuganz zu Erfahrungen auch von hiesigen Akteuren, und sie bringt Diversität.

 

  1. Sehen Sie eine Relevanz, dass Privatspender effektiv spenden? Oder ist es wichtiger, dass sie überhaupt spenden?

Wir finden sinnvoll, wenn sich Leute beim Spenden Gedanken machen über Ursachen und Zusammenhänge, und wenn sie sich mit Tätigkeiten und Zielen der betreffenden Hilfswerke auseinandersetzen. Wir brauchen mehr Bewusstsein darüber, in was für einer Welt wir leben, und warum es Privilegierte gibt und andere. Spenden nur um sich gut zu fühlen oder sein Gewissen zu beruhigen halten wir für fragwürdig.

 

  1. Studie über effektives Spendenzeigen, nur 20% der Spender sind tatsächlich interessiert, was die Spende oder das Hilfswerk tatsächlich nützt, sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Ja, siehe Antwort zu Frage 5. Genau deswegen finden wir auch Transparenz nötig.

 

  1. Ist es in der Pflicht der Privatspender, des Hilfswerkes oder des Staates, dass Spenden effektiver werden? Oder soll spenden weiterhin aus einem Mitgefühl getan werden und weniger aus dem Effizienzgedanken?

Man kann es nicht zum Gesetz erheben. Aber mehr Auseinandersetzung mit den Ursachen wäre nicht nur für gezielteres Spenden gut, sondern auch für uns: Mehr Nachdenklichkeit darüber, woher unser Wohlergehen stammt, wie es mit dem Rest der Welt zusammenhängt. Auch Empathie darf dazugehören, die über das Ansehen trauriger Kinderaugen hinausgeht.

 

  1. In einem Artikel des EA habe ich gelesen, dass Privatspender diese Hilfswerke erhalten, welche sie verdient haben? Wären Hilfswerke effektiver, wenn wiederum Privatspender mehr auf die Effektivität achten würden?

Diese Frage verstehe ich nicht.

 

  1. Sie kritisieren die Zewo ziemlich scharf, da diese eher einen Fokus auf die Buchhaltung und Administrativen Kosten setzen und weniger auf Wirksamkeit und Transparenz. Glauben Sie, dass die Zewo ihre Standards verändern muss, damit sie in der Schweiz weiterhin ernstgenommen wird?

Es sollte Alternativen zur ZEWO geben, damit die Menschen eine Wahl haben und die jeweils angewandten Kriterien vergleichen können. Darum versuchen wir, ein alternatives Siegel zu lancieren. ZEWO betrifft im übrigen nicht nur EZA, sondern alle möglichen Arten von Hilfswerken und ist allein darum schon sehr unspezifisch.

Übrigens hat die ZEWO einen weiteren Makel, der weitgehend unbeachtet bleibt: Das ZEWO-Zertifikat wird missbraucht als eine Art DEZA-Filter zum Fernhalten unerwünschter Hilfswerke: Es wurde bisher von der DEZA als Vorbedingung für finanzielle Beiträge gestellt.

  1. Führen Sie in Zukunft weiterhin eine Transparenz Rangliste durch?

Wenn mehr Kräfte und Mittel zur Verfügung stünden, täten wir dies und noch mehr.

 

Effektiver Altruismus

  1. Wie stehen Sie allgemein zur Bewegung des Effektiven Altruismus? Ist es ein Thema bei Ihnen? Oder halten Sie, deren Bewegung für nicht so relevant?

Eine Modeströmung, unseres Erachtens ausgeheckt von Schreibtischtätern und Erbsenzählern in den USA, die keine Ahnung haben von den Realitäten vor Ort. Hoffentlich verschwindet sie bald.

 

  1. Ist es positiv, wenn Hilfswerke nach der reinen Effektivität ausgesucht werden?

 

Wen Sie das in der engen Definition des „Eff. Altr.“ meinen, dann ist die Antwort einmal mehr Nein. Oder eher: Man sollte sein Spendengeld nicht vergeuden und besser anderen spenden.

 

  1. Wo sehen Sie Potential bei dieser Bewegung? Oder haben Sie einzelne Punkte, welche Sie von der Bewegung positiv finden?

Das einzig Positive, das ich dabei sehe, ist, dass sich junge Leute überhaupt mit der Problematik auseinandersetzen. Allerdings nur, wenn dann auch weitergefragt wird und es vielleicht zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Sache kommt.

 

  1. Wo sehen Sie Risiken bei dieser Bewegung?

Vergeuden von Zeit und Ressourcen, bis die Leere dieser „Lehre“ durchschaut wird.

 

  1. Sie äussern sich eher kritisch gegenüber der Organisation GiveDirectly? Beäugen Sie auch allgemein Wirkungsmessung durch evidenzbasierte Studien kritisch? Glauben Sie, dass es wichtiger ist vor Ort die Situation zu sehen, als die Effektivität durch Wirkungsstudien zu messen?

 

Ich möchte warnen: Die Form der Frage nimmt schon vorweg, dass das, was „Give Directly“ macht, „evidenzbasiert“ ist und „Wirkung“ misst. Beides kann allenfalls bei einem Tunmnelblick unter Ausklammerung von allem übrigen behauptet werden.

Es gibt auch so schon ernstzunehmende Studien, die versuchen, die komplexen Zusammenhänge einigermassen in den Griff zu bekommen. Da gibt es auf der Welt Tausende seriöser Leute in seriösen Institutionen, die sich seit vielen Jahren darum bemühen. Dass da einige kommen und glauben oder so tun, als hätten sie jetzt die Wirkungsmessung entdeckt, ist geradezu grotesk.

Es gelten die Ausführungen zu Frage 2 und jene in unserem Blog, die nach vertiefter Lektüre der Berichterstattung und Argumentationsweise erfolgten. Hier nochmal, besonders die Antwort auf den Kommentar von Jonas Vollmer könnten etwas bringen:

http://aidrating.net/geschwaetz-bar-auf-die-kralle/#comments

Ich glaube nicht, dass sich irgendwo seriöse (sozial)wissenschaftliche Forschungsinstitutionen auf diese Sache auf Dauer einlassen werden.

Jan Stiefel

Wem spenden in der Entwicklungshilfe: Empfehlungen 2017

Mit nahenden Festtagen steigt auch wieder landauf landab das Interesse an glaubwürdigen Hinweisen, wem man spenden sollte. Auch wir von AidRating werden wieder vermehrt angefragt.

Wir befassen uns mit Entwicklungszusammenarbeit, heute eher „Internationale Zusammenarbeit“ (IZA) genannt. Die hier folgenden Empfehlungen betreffen fast ausschliesslich diese. Sie werden ab jetzt je nach Verlauf der Debatte bis Anfang 2018 ergänzt.

Hauptempfehlung 2017:

Wir empfehlen, zu spenden an kleinere, vielleicht nur lokal bekannte Hilfswerke, welche

  1. konkrete Projekte betreiben, namentlich in ländlichen Gebieten
  2. sich mit Themen wie Bildung, Berufsbildung, kleinbäuerliche Landwirtschaft, Marktzugang, Gesundheit und Familienplanung und benachbarte Themen befassen, die dem eigenständigen Meistern der eigenen Lebenslage dienen können
  3. sich mit eigenen Leuten häufig oder ständig vor Ort befinden
  4. einen ordentlichen Finanzplan und Finanzbericht vorweisen
  5. über all dies konkret berichten und für Fragen zugänglich sind

Besser als eine Einmalspende, die vielleicht nicht wiederkehrt, sind regelmässige auch kleinere Zahlungen über einen längeren, vorher angekündigten Zeitraum. Dies hilft dem Hilfswerk bei der Planbarkeit. Im Lauf der Zeit können Sie vielleicht Vertieftes über die unterstützte Tätigkeit erfahren.

Wenig relevant ist,

  • Ob das Hilfswerk für irgendeine der vielen Formen der Patenschaft wirbt. Vorausgesetzt, es besteht Gewähr, dass die Hilfe nicht einzelnen ausgewählten Personen oder Gruppen zukommt, sondern einer ganzen Gemeinschaft.
  • Ob das Hilfswerk ZEWO-zertifiziert ist oder nicht. Das ZEWO-Zertifikat ist sehr allgemein, weil für jegliche Art von Hilfswerk.  Es geht um das Spendenwesen, also vor allem die Art, wie Spenden gesammelt werden. Es ist fokussiert auf Buchhaltung und die Organisationsstruktur, nicht aber auf die konkreten Leistungen vor Ort.

Begründung:

Genug Geld von der DEZA

Grosse Hilfswerke werden schon reichlich von der DEZA alimentiert. (Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit des Bundes). Helvetas als grösstes Hilfswerk mit 127 Millionen in der Betriebsrechnung zum Beispiel bekommt 62.5 Millionen (JB DEZA 2016, S 32/33) oder vielleicht auch 71.6 Mio (Finanzbericht Helvetas 2016, S. 4), also die Hälfte aller Gelder. Nochmal 2.2 Mio von der DEZA und 4.6 Mio vom SECO finden sich in den Details weiter hinten (Erläuterungen Seite 14, div. Positionen). Dies nur um die zu nennen, die direkt zu ermitteln sind. Es gibt weitere, indirekte Verteiler.

Dazu kommen Gelder, die direkt oder indirekt von der Huld der DEZA abhängen, beispielsweise 3.1 Mio  von der Glückskette (Jahresbericht Glückskette 2016, S. 48), die ihre Gelder ebenfalls vorzugsweise an grosse Hilfswerke verteilt. Es gibt noch weitere, besser versteckte Posten, namentlich von Behörden und privaten Stiftungen.

Spenden machen einen deutlich geringeren Anteil der Gesamteinnahmen aus. Bei Helvetas waren es 2016 26 Millionen, davon aber weniger als die Hälfte von Privatpersonen (12.6 Mio), (Finanzbericht Helvetas, S. 4 und S 14, Pos 3.1.).

Das heisst: Nur gerade 10% aller Einnahmen sind echte Spenden von Privatpersonen! Die Spendeneinnahmen dienen dennoch vor allem dazu, sich als in der Schweiz „gut verwurzelt“ darzustellen und die weit höheren DEZA-Beiträge zu rechtfertigen.

Weitere Einzelheiten siehe die oben genannten Seiten der Finanzberichte. Dort finden sich auch Namen und entsprechende Angaben zu den anderen grösseren Hilfs-Organisationen. Die Verhältnisse sind dort durchaus ähnlich.

Schwund der Transparenz:

Wir beobachten in den Netzauftritten, dass die Angaben der Hilfswerke zwar optisch immer professioneller daherkommen, dass es aber zugleich immer schwerer wird, Erfolge und Ergebnisse zuzuordnen und ihr Gewicht einzuschätzen. Wir halten Zuordenbarkeit der Ergebnisse (und Flops) an konkrete Projekte für ein wesentliches Element der Transparenz. Nach Muster der von der DEZA so genannten „Wirkungsberichte“ werden sowohl Tätigkeiten wie die behaupteten Wirkungen in einer Weise entkernt und pauschal zusammengemixt, dass man kaum mehr erkennen kann, wo etwas gewirkt hat, und wo nicht. Auch das Warum und Wie ist immer weniger zu erkennen. Das ist nicht Information zwecks Meinungsbildung durch mündige Bürger. Wir sehen fast nur noch manipulative Werbebotschaften.

Weitere Aspekte:

AidRating gibt inzwischen auch ein Transparenzsiegel heraus, das sich stark auf die Qualität der Arbeit vor Ort bezieht und damit eine Empfehlung beinhaltet: Derzeit ist das Hilfswerk Kinderhilfe Emmaus Träger.

Aufgrund aktueller Korrespondenz hier noch ein paar weitere Fragen und Antworten:

1. „Welche Stärken und Schwächen hat das AidRating Gütesiegel gegenüber dem bekannten ZEWO-Gütesiegel? Eindruck: Zewo kostet, ist aber umfassend AidRating: das Label sagt lediglich aus, dass die Institution geprüft wurde“:

Wir würden sagen, dass eher das Gegenteil zutrifft: ZEWO betrachtet nur Administration und Buchhaltung, aber keine Projektinhalte und ihre Ergebnisse. Bei AidRating ist korrekte Buchführung eine Grundvoraussetzung. Darüber hinaus werden stets Kohärenz der Zielsetzung und Projekte in Stichprobenform auf unsere zehn Schlüsselfragen hin untersucht. http://aidrating.net/wp-content/uploads/2016/12/zehnschluesselfragen.pdf

2. „Ist die Aussage korrekt, dass von IDEAS AidRating bewertete Institutionen diese Siegel gratis und unbefristet nutzen dürfen?“

Ja. Siehe unsere Konditionen: http://aidrating.net/wp-content/uploads/2016/12/Siegelbedingungen-kurz-v2.pdf

3. „Die Zahlen von 2012/13 sind die aktuellsten Zahlen. Wann folgt die nächste Analyse?“

Anstatt leichter sind die Tätigkeitsberichte auf den HP usw schwerer zu analysieren geworden. Derzeit fehlen uns die Kapazitäten und Mittel für ein aufwendiges Rating in der früheren Form.

5. „Welche Rolle spielen bei Ihrer Bewertung das Thema „Kinderpatenschaften“. Diese Hilfestrategie ist ja sehr umstritten. Warum hat zB World Vision ein positives Rating?“

Das Konzept „Kinderpatenschaften“ ist fast nur relevant bei der Spendenakquise. Das heisst, Spendende können so eine Art persönliche Beziehung zu einem Kind oder mehreren aufbauen, was dabei hilft, zu regelmässigen Spenden über längere Zeit zu motivieren. Wir halten das für unproblematisch, solange die Spenden dann nicht einzig einem ausgewählten Kind, sondern seiner Gemeinschaft als Ganzer zugutekommt (was in den von uns geprüften Fällen inkl. WV stets der Fall war und darum auch das Rating nicht negativ beeinflusste).
Die Vorstellung, das sei „umstritten“, kommt daher, dass vor Jahren die ZEWO behauptet hat, wer ein Patenkind mit Spenden bedenke, könne damit sozusagen „Gott spielen“, also eine Art ungebührliche Macht ausüben. Mit dieser Begründung wurde dann World Vision die ZEWO-Zertifizierung verweigert. Da diese Zertifizierung auch Vorbedingung war für Finanzbeiträge durch den Bund (DEZA), konnte u.a. eine unliebsame Konkurrenz um DEZA-Gelder ferngehalten werden, sehr zum Gefallen der „etablierten“ Hilfswerke.

Es ist also eine Thematik, die das Spendenverhalten betrifft. So etwas wie eine Geschmackssache. Wir sehen in der ZEWO-Beschränkung eine Bevormundung der Spendenden, denen unterstellt wird, nicht selber gewissenhaft zu spenden oder nicht beurteilen zu können, wie sie ihre Spenden sinnvoll einsetzen können.
Nochmal: „Patenschaften“ haben auch positive Aspekte. Sie bedeuten regelässige Zahlungen über vorhersehbare Zeiträume. Das erlaubt eine bessere Planung und Mittelnutzung als vielleicht grössere, aber unvorhersehbare und damit nicht planbare Zahlungen. Genau darum gibt es längst eine breite Palette von „Patenschaften“ auch bei den etablierten Hilfswerken, inkl. solcher für Kinder. Die Fehlmeinung aber hat überlebt.

Sonstiges:

Es gibt eine Reihe unausrottbarer Irrtümer rund um IZA und Spendenwesen. Sowohl befürwortend wie auch dagegen. Schon vor längerem haben wir dazu einmal einige der häufigsten zusammengestellt: http://aidrating.net/haufig-gehorte-irrtumer-zur-entwicklungszusammearbeit/

Jan Stiefel
Elvira Prohaska

Hinschauen: Zehn Schlüsselfragen für interessierte Spender

Reicht es Ihnen, einfach einen Betrag zu spenden und zu hoffen, dass er Gutes bewirkt, oder dass er „zu 100%“ den Armen zugute kommt? Wir meinen, das ist zuwenig. Wir empfehlen: Hinschauen und dann spenden. Wer mehr wissen will, nutze als Checkliste unsere

Zehn Schluesselfragen.

Sie lassen sich auf jede Aktion der Entwicklungshilfe anwenden. Sehen Sie sich ein Projekt Ihres bevorzugten Hilfswerkes an und testen Sie anhand dieser zehn Fragen, wieviel Sie wirklich darüber erfahren!

Im Beitrag „Wem spenden“ sagen wir, was für Hilfswerke man mit Spenden bedenken sollte. Auch unser Siegel für Transparenz stellen wir vor.

Wem spenden?

Unsere Empfehlungen 2016 für Hilfswerke

Rahmen: Wir empfehlen Hilfswerke (HW), welche langfristige Entwicklungszusammenarbeit (EZA) zum Hauptthema haben. Hier sehen wir grösstmögliche Wirkung, und hier liegt unsere Kernkompetenz.

Begründung: Wir empfehlen langfristige EZA, weil es für Hilfswerke schwieriger ist, für unspektakulär scheinende, in abgelegenen Regionen stattfindende, auf langfristige Wirkung ausgerichtete Aktivitäten zu sammeln als für solche, die spektakulär scheinen und dadurch kurzfristige Medienaufmerksamkeit bekommen.

In Kürze: Spenden Sie an kleine Hilfswerke und halten Sie Kontakt! Suchen Sie im Bekanntenkreis lokal und regional und fragen spezifisch nach solchen.

Erläuternde Grundsätze 2016:

  1. Spenden Sie lieber an kleine überschaubare Hilfswerke als an die grossen und bekannten. Es dürfen auch wenig bekannte und lokale Hilfswerke sein. Da macht Ihre Spende am ehesten einen Unterschied.
    Begründung: Grosse und bekannte Hilfswerke erhalten in der Regel hohe staatliche Beiträge (DEZA) bis zu vielen Millionen (Beispiele 2015: Helvetas 72.4 Mio, Terre des Hommes 13.1 Mio, Caritas 12.8 Mio, HEKS 9.8 Mio. und 11 weitere mit 5 Mio. oder mehr. Dennoch ist wenig über die Wirkung ihrer Arbeit zu erfahren. Quelle: Jahresbericht DEZA 2015 Statistik S 31-32)
  2. Schauen Sie sich in Ihrer Region um, und suchen Sie gezielt nach kleineren Hilfswerken. Wählen Sie Hilfswerke, die an konkreten Projekten arbeiten, konkret berichten, was sie dort tun, und auch, was sie dort bisher erreicht haben. Fragen Sie im Zweifel nach. Akzeptieren Sie auch Fehler, wenn Sie sich überzeugen können, dass daraus gelernt wird. Halten Sie aber Kontakt und lassen Sie sich berichten, was geschieht.
    Begründung: Viele lokal verwurzelte kleine HW arbeiten mit viel Engagement, Herzblut und nahe an den Menschen, für die sie etwas zu tun versuchen. Lernfähigkeit ist wichtiger als vermeintliches Expertentum. Und: Konkurrenz auch für grosse HW tut gut. Denn es gibt viele, manchmal verschlungene, Wege zum Erfolg (und zum Gegenteil).
  3. Wir empfehlen Spenden für Tätigkeiten mit folgenden Themenkreisen:
    -Ländliche Entwicklung, kleinbäuerliche Landwirtschaft
    -Schul- und Berufsbildung
    -Lokales Klein)-Gewerbe mit Schaffung von Arbeitsplätzen
    -Gesundheit, namentlich für Mutter und Kind
    -Hygiene, Aufklärung und Familienplanung (siehe Pt 4)
    Begründung: Diese Bereiche können langfristig am meisten bewirken, erhalten aber gleichzeitig am wenigsten Aufmerksamkeit, da wenig medienwirksam.
  4. Wir empfehlen ab jetzt insbesondere Programme und Projekte, bei denen das Thema Familienplanung berücksichtigt wird.
    Begründung: Unkontrolliertes Bevölkerungswachstum gehört zu den brennendsten Entwicklungsproblemen. Auch im Schweizer Entwicklungshilfegesetz ist demografisches Gleichgewicht als wichtiges Ziel genannt. Die offizielle Schweizer Entwicklungshilfe tut hier dennoch so gut wie nichts.
  5. Spenden Sie lieber regelmässig, z.B. monatlich, Beträge über einen längeren Zeitraum statt einmal und dann nicht wieder. Geben Sie dem Hilfswerk Spendenhöhe und -dauer bekannt.
    Begründung: Auch Hilfswerke müssen ihre Tätigkeiten planen können, um bestmöglich zu wirken. Dazu gehört, kommende Tätigkeiten auch finanziell budgetieren zu können. Wissen um in Zukunft zu erwartende Zuwendungen ist dabei sehr hilfreich.
  6. Siegel: Das ZEWO-Siegel sollte als Kriterium für EZA nicht wichtig genommen werden. Es sagt nichts aus über die Wirksamkeit und Effizienz der betroffenen Hilfswerke. Es bestätigt wenig mehr als Einhaltung von Buchhaltungsgrundsätzen.
    Begründung: Das ZEWO-Siegel wirkt eher als Konformitätskontrolle und als Türhüter, mit dem viele kleinere Organisationen von Geldern der DEZA, aber auch der Glückskette und vieler kantonaler und munizipaler Geber ferngehalten werden. Für kleine Hilfswerke ist das ZEWO-Siegel oft zu teuer und zu bürokratisch.
    Das einzige Siegel in der Schweiz mit Wirkung als wichtigem Kriterium ist unser eigenes: Das Aidrating-Transparenzsiegel. Bis 2014 trug World Vision Schweiz unser Siegel; neu ist es 2016 an Kinderhilfe Emmaus verliehen.

Das AidRating-Transparenzsiegel:

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PS: AidRating ist ein gemeinnütziger Verein, der seit 1994 unabhängig für Transparenz und Wirksamkeit in der EZA eintritt. Wir arbeiten ehrenamtlich. Auch AidRating kann Ihre Spende gut gebrauchen!

Text in Kurzform erschienen in einem Radio-Interview bei Radio Central am 29. November 2016.

IDEAS AidRating
Postfach 1992
8400 Winterthur

PC 90-18333-7

Transparenz jetzt!

Entwicklungszusammenarbeit (EZA) und ihre Auswirkungen lassen sich nicht trennen von anderen wichtigen Fragen wie Globalisierung, Migration, Welthandel, Umweltzerstörung, und vielen weiteren, die uns alle betreffen.

EZA kann einen sinnvollen Beitrag leisten, wenn sie zielgerichtet und wirksam geleistet wird. Dies sicherzustellen ist nötiger denn je.

So ist es nicht gleichgültig, was von DEZA und Hilfswerken mit unserem Geld getan wird, und was zu verbessern ist. Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit an der Debatte teilnimmt.

Um mitzureden, muss die Öffentlichkeit aber Bescheid wissen. Und dazu wiederum muss man wissen, was da draussen eigentlich gemacht wird. Dies wiederum ist nur möglich, wenn man darüber genug erfährt, also mit TRANSPARENZ.

Seit über 20 Jahren arbeiten wir von IDEAS AidRating daran, mehr Transparenz in der EZA herbeizuführen. Seit 2008 gibt es unsere Transparenzratings, und seit 2015 gibt es unser Transparenzsiegel.

Viele Leute haben das verstanden. Auf unserer Website haben wir ab Beginn Transparenzrating bis Ende 2014 eine Umfrage gestaltet, die von 82 Personen beantwortet wurde. Bei weitem die meisten finden, mehr Transparenz sei sehr wichtig, wie aus dieser Umfrage zu ersehen ist.

In kurzer Zusammenfassung lässt sich sagen:

  • 86.6% der Beantworter wollen mehr über die Wirkung der EZA erfahren
  • 76.8% wollen mehr über die Risiken wissen, die dabei eingegangen werden
  • 76.8% wollen, dass die Hilfswerke transparenter berichten!

Hier die Ergebnisse im einzelnen:

https://www.surveymonkey.com/results/SM-WK7JZP7M/

Die mageren Errungenschaften der Entwicklungszusammenarbeit

In der NZZ wurde am 5. Dezember über eine Studie berichtet, die sich die Analyse der gesamtwirtschaftlichen Auswirkungen von 5 Jahrzehnten Entwicklungszusammenarbeit (IZA) zum Thema gemacht hat. Es handelt sich zwar um eine Studie über andere Studien, also eine klassische Meta-Studie, zu der sich natürlich eine ganze Reihe von methodischen Fragen ergeben.

Dennoch muss ich nach fast fünf Jahrzehnten aktiver Arbeit im Bereich Entwicklungszusammenarbeit, davon anderthalb Jahrzehnte als Feldexperte auf diversen Kontinenten weit abseits von Hauptstädten, und noch immer bei aidrating.net fortdauerndem Engagement, den Kernaussagen zustimmen:

Erstens: Der Nutzen der klassischen Entwicklungshilfe (IZA) entspricht mitnichten dem dazu betriebenen Aufwand. Es gibt innerhalb der Entwicklungsbranche selber nicht zuwenig, sondern zuviel Geld. Dies darum, weil das Geld durch wenige Akteure in übergrossen Projekten und Programmen verbraucht wird. Wenn es mehr Akteure und mehr Wirkungskonkurrenz gäbe, könnte mehr bewirkt werden.

Zweitens: Von den Mitteln der IZA profitieren namentlich privilegierte Kreise in den reichen Ländern und Autokratien im Süden: Bei ersteren sind es vor allem die beauftragten Organisationen, Personen und politischen Kräfte, deren Berichterstattung zur Wirkung wie in der Studie angemerkt auch entsprechend geschönt ist. Bei letzteren sind es ineffiziente bzw korrupte Büro- und Autokratien, deren Fortbestand durch die einfliessenden Mittel verlängert wird.

Drittens: Handel als Mittel zur wirtschaftlichen Stärkung wäre in der Tat wirksamer, wenn auch mit Abstrichen beim Schutz interessierter Branchen in reichen Ländern verbunden: Verringerung der Handelshemmnisse für Erzeugnisse aus dem Süden, Streichung von Agrar- und Exportsubventionen. Hilfreich wäre auch weniger Import bestimmter Cash Crops, die dort lokale Lebensmittelproduktion behindern, sonst aber nur dem Konsum und Luxushunger in reichen Ländern dienen- Beispiele sind etwa Futtermittel-Importe oder, bei uns in jedem Laden augenfällig, ganzjähriger Luxuskonsum von Früchten und Frischgemüse von den Antipoden in Asien, Afrika und Lateinamerika.

Klimaschutz versus Entwicklungshilfe

Gestern ist die Klimakonferenz der UNO mit einer zwar wenig überzeugenden, aber wenigstens überhaupt mit einer gemeinsamen Deklaration zu Ende gegangen. Die Einsicht ist etwas breiter geworden, dass wir alle dringend etwas tun müssen.

Man weiss, dass der meiste CO2-Ausstoss in den Industrie- und Schwellenländern erfolgt. Wir und sie müssten am dringendsten handeln.

Man weiss andererseits, dass grosse Einsparungen mit vergleichsweise geringen Kosten durch Massnahmen in Entwicklungsländern erreicht werden können. Also kann ich damit leben, wenn zum Klimaschutz neben Massnahmen bei uns auch Massnahmen dort finanziert werden.

DEZATag Dahinden

Abschiedsrede Botschafter M Dahinden am DEZA-Tag

Am DEZA-Tag (dem 29. August) in Genf wurde viel darüber erzählt, was die DEZA (SDC) in Sachen Klimaschutz tut. Das stört mich, denn hier wird etwas vermischt. Es sei festgehalten: Entwicklungshilfegelder sollten nicht für Klimaschutz eingesetzt werden, sondern klar für die Verbesserung der Lebensumstände der Armen. Gelder für Klimaschutz müssten zusätzlich gesprochen werden.

Die DEZA als Sachwalterin sollte dies als erste anmahnen und nicht stattdessen die eigenen Grundlagen unterlaufen. Wenn sie dies aber nicht tut: Warum nur gucken Medien und Politik nicht genauer hin?

Nachtrag, 17. Oktober 2014

Gedanken über den Wolken

Denke gerade wieder an den vergangenen DEZA-Tag in Genf. Es ging um Verminderung des CO2-Ausstosses und wie das in der Entwicklungshilfe doch beispielhaft getan werde- so als wäre es deren erste Aufgabe.

Wieder einmal gibt sich die DEZA als Speerspitze dessen, was im reichen Norden gerade als Aktualität gilt. Treibhausgase müssen gemindert werden. Wenn wir es nicht schaffen, dann eben bei den anderen.

Wir schicken also unsere Experten, die fliegen hin (nein sie nehmen nicht das Segelschiff) um den Menschen dort ein schlechtes Gewissen zu machen, weil sie doch ihre Holzkohle nicht sparsam genug verbrennen, wenn sie nicht unsere genialen Technologien dafür anwenden. Beruhigung unseres Gewissens im eigenen Ungenügen, indem wir auf das vielleicht weitaus leichter entschuldbare Ungenügen der anderen schauen.

Mir kommt es immer wieder vor, wir in den reichen Ländern sind unfähig, unsere eigenen Fehler zu sehen und kümmern uns daher um Fehler und Mängel bei den anderen. Das nennen wir dann „humanitär sein“. Eigentlich verhöhnen wir sie, denen wir helfen zu wollen vorgeben……..

JS

Transparenz der Schweizer Entwicklungshilfe „very poor“

Kürzlich hat die internationale Nichtregierungsorganisation „Publishwhatyoufund“ ihre vierte jährliche Transparenzstudie veröffentlicht. Diese bewertet die Transparenz grösserer Geber seit 2010.

Neu wurde 2013 die Bewertung verfeinert. Am stärksten gewichtet wird die Aktivität vor Ort (65%), an zweiter Stelle kommen allgemeine Informationen zur Organisation (25%), an dritter der gesetzliche Rahmen und die Zugänglichkeit der Daten (10%).

Von 67 Gebern erreichte die Schweiz lediglich den 44. Rang, hinter der Bill Gates Stiftung und vor Litauen. Ein schlechtes Resultat.

Das Ergebnis ähnelt den Folgerungen unserer AidRating-Studie 2013, die zu ähnlichen Schlüssen kommt. Mehr Transparenz, das weiss man inzwischen, würde zu mehr Zielorientierung und zu besseren Projekten führen.