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95% wünschen mehr Transparenz

Umfrage Transparenz EZA

Umfrage Transparenz EZA

Mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit wird von fast allen (95%) der Leserinnen und Lesern unserer Homepage befürwortet. Das ist das wichtigste Ergebnis einer Online-Umfrage, die wir in den vergangenen Monaten aufgeschaltet haben.

Frage: Ist Transparenz bei der Entwicklungszusammenarbeit nötig? ja, ist nötig nein, nicht nötig weiss nicht

Wir hatten drei Fragen, bei denen wir jeweils fragten, ob die jeweilige Forderung sehr wichtig, wichtig, eher unwichtig, oder völlig unwichtig sei.

  1. 74% fanden Transparenz im Geberland (Schweiz) sehr wichtig, 20% fanden das “eher wichtig”.
  2. 84% finden wichtig, mehr zu wissen über Risiken von Entwicklungsprojekten (was kann schiefgehen); 11% finden das ziemlich wichtig.
  3. Auf 88% kam der Anteil derer, die es sehr wichtig finden, mehr über die Wirkung von Projekten zu erfahren. 7% fanden diesen Punkt ziemlich wichtig.

Unwichtig fanden (1) nur 6% der Befragten, (2) und (3) sogar nur 5%.

Interessant war die Aufteilung nach Berufsgruppen: Es gab eine Möglichkeit, die Branche des Arbeitgebers anzugeben:

  • Rund 29% derer, die dies beantworteten, sind Mitarbeitende von Hilfswerken. Sie alle finden mehr Transparenz zu allen Fragen sehr wichtig. Weitere Berufsgruppen:
  • Private Dienstleister 38%
  • Öffentliche Hand und Forschung je 14.5%
  • Rest „übrige Berufe“

Bildungsstand der Beantwortenden:

  • 78.4% Hochschulabschluss
  • 10% Mittelschule
  • je 6% Grund- oder Berufsschulausbildung

Alter:

  • 2% unter 20J
  • 35% 21-40J
  • 49% 41-60J
  • 14% über 61 Jahre

Gesamtzahl Antworten: 55.

Fundraiser: Ist Maulen gegen die Transparenz-Studie schlau?

Nachdem auch die Fundraiser-Branche gegen die Studie gemault hat, liefern wir hier ein paar Klarstellungen:

Die Aidrating-Transparenzstudie wurde in voller Länge am 11.11.2008 vorgestellt (siehe Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Landbote usw).

Auszüge aus der Transparenzstudie und die Methodik können Sie auf aidrating.org nachlesen. Dort ist sie auch bestellbar.

Da können Sie weiter ersehen, dass wir Transparenz aus guten Gründen und als Befürworter wirksamer EZA einfordern. Im Lauf der Arbeit trafen wir auf zusätzliche Seltsamkeiten. Das zeigt: Es ist noch mehr Fleisch am Knochen.

Dass gerade die grossen Hilfswerke wie etwa Helvetas oder Caritas so schlecht abschneiden, ist weder unsere Schuld noch entsprach es unserer Absicht.

Im September 2008 hatte die NZZaS nur Auszüge vorliegen, von denen sie lediglich winzige Fragmente brachte, dafür viel zur eigenen Meinung.

Danach boten wir ausführliches Material der Sonntagszeitung an und der Weltwoche. Letztere reagierte schneller und brachte Auszüge daraus. Die Befunde sind dort nicht gehässig, sondern korrekt zitiert.

Was die Glückskette betrifft, enthält die Studie eine genaue Erläuterung, warum wir sie separat betrachten. Wer es von anderer Seite wissen will, braucht nur deren Homepage anzuklicken. Dann erfahren Sie: Die Glückskette sammelt bezogen auf Kriegs- und Katastrophenereignisse. Spender wissen nicht, wer die Gelder letztlich vor Ort verwendet.

Hilfswerke können bei der Glückskette „Projektgesuche“ einreichen. Wenn gutgeheissen, dann wird ein Vertrag zwischen Glückskette und Hilfswerk abgeschlossen. Sie sehen: Die Glückskette vergibt die Projekte nach eigenen Regeln und Verfahren.

Wir haben viel Zustimmung bekommen, besonders von Vergabeorganisationen, Forschungsstellen, und bemerkenswerter Weise auch von Hilfswerksmitarbeitenden. Diese tun dies allerdings lieber anonym, unter anderem in unserer Umfrage.

PS: Fundraiser, die für Hilfswerke wie etwa Helvetas, Caritas, HEKS arbeiten, könnten sich vielleicht auch überlegen, wie man Befunde wie die der Transparenzstudie für einen verbesserten Auftritt nutzbar machen könnte anstatt in den Chor der voreiligen Diffamierungen einzustimmen. Artikel dazu im Fundraising-Journal.

Jan Stiefel

Entwicklungszusammenarbeit und Transparenz

Eine sachlich fundierte öffentliche Erörterung konkreter Tätigkeiten in der Entwicklungszusammenarbeit ist dringend notwendig. Dies sollte helfen, das Richtige zu fördern und das Unwirksame zu vermeiden. Wir von aidrating.org arbeiten in diesem Sinn. Dabei fangen wir bei unseren Schweizer Hilfswerken an.

Um einen qualifizierten Diskurs zu führen, muss ein ausreichender Grundstock an Wissen bei allen Beteiligten darüber verbreitet sein, was für Tätigkeiten darunter zu verstehen sind, und wie diese Tätigkeiten im wirklichen Leben aussehen.

Dies ist nur möglich, wenn ein ungehinderter Zugang zu den wesentlichen Informationen über diese Tätigkeiten gegeben ist. Dieser Zugang ist für uns gleichbedeutend mit Transparenz über Entwicklungszusammenarbeit (EZA).

Da wir eine solche als Grundvoraussetzung ansehen, um einen qualifizierten Diskurs in der Öffentlichkeit überhaupt führen zu können, ist unser erstes Ziel: Förderung der EZA-Transparenz.

Wenn mehr Transparenz da ist, kann auch besser beurteilt werden, wer gute Arbeit leistet. Es reicht nicht, Gutes zu wollen. Man muss das Gute auch gut tun.

Dazu haben wir ein zweites Ziel: Anreize schaffen. Für die Zivilgesellschaft heisst das: Kompetenz entwickeln durch neue Einsichten. Für die Entwicklungsbranche: Anreiz durch positive Beachtung dessen, was Ergebnisse bringt.

Die von IDEAS für EZA vorgeschlagene Definition von Transparenz findet sich hier, von ihr ist in diesem Aufsatz die Rede:

Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet Verfügbarkeit aller Angaben, die es Aussenstehenden ermöglichen, Ziele, Mittelverwendung, Arbeitsweise, Orte und direkte Auswirkungen der Tätigkeiten von (Hilfswerken) mit hinreichender Verlässlichkeit einzuschätzen.

Als hinreichend gelten dabei Angaben, welche für den Sachverhalt
a) gleichzeitig relevant und konkret,
b) für die Gesamtschau repräsentativ, und
c) auf eine Weise dargelegt sind, die sie mit ähnlichen Aktionen vergleichbar macht.

Es geht darum, zu ermitteln, wie viel wir eigentlich erfahren über EZA-Tätigkeiten. Angepasst an die Bedingungen der EZA hat AidRating einen Raster entwickelt, mit dem diese erfasst und verglichen werden können.

Wir haben 2008 die grösseren Hilfswerke (HW) angeschaut und untersuchten:

1. Was ist zu erfahren über Grösse und (finanzielle) Abhängigkeiten der Hilfswerke (HW) sowie über allgemeine Aspekte wie Verantwortlichkeiten, Struktur u.ä?

Zu diesem Punkt hat sich gezeigt, dass alle grösseren Hilfswerke ausführliche Grundsatzerklärungen präsentieren, und über ihre Organisationsverantwortlichkeiten und die Buchhaltung allesamt etwa gleich detailliert berichten. Wir betrachteten weiter:

2. Was ist spezifisch zu erfahren über die konkrete Tätigkeit der HW vor Ort, also ihre Aktionen, Projekte, Programme?

Hierzu haben wir unter Nutzung unserer Erfahrung in Entwicklungsprojekten eine konkrete Fragenliste entwickelt, die sich auf jede Intervention (d.h. auf jedes Entwicklungs-Projekt oder Programm) anwenden lässt. Wir geben sie hier wieder:

Frageliste zu konkreter Arbeit in Projekten/Programmen (Fragestellung und konkrete Erläuterung [was wollen wir wissen])

  1. Was ist über das Projektumfeld zu erfahren?
    Wie ist die soziale, ökonomische bzw. (öko)geografische Ausgangslage? Wo findet das Projekt statt?
  2. Wer/ welche Personenkreise profitieren vom Projekt, und in welcher Weise?
    Was erfahre ich über die Zielgruppe(n), bzw. was soll anders oder besser für diese werden?
  3. Was will das Projekt erreichen? Sind eine (oder die wichtigsten) Zielsetzung(en) klar erkennbar?
    „Ziel“ ist ein Zustand, der erreicht werden soll. Dieser sollte möglichst konkret beschrieben sein. Bsp: Einkommen verbessert durch… u.ä.
  4. Wer (Organisation, Personal) führt das Projekt/Programm vor Ort?
    Wer ist operativ wofür verantwortlich? Wer macht konkret was vor Ort? Wer führt?
  5. Was konkret sind die wichtigsten Projekthilfsmittel und –aktivitäten, um Ziel(e) 3 zu erreichen?
    Was wird für die Zielerreichung konkret getan, erstellt, übergeben? Mit welchen Hilfsmitteln, Ausrüstung?
  6. Sind Risiken/ unerwünschte Nebenwirkungen und/oder Missbrauch denkbar? Sind diese verunmöglicht oder ausreichend unter Kontrolle?
    Erfahre ich etwas über projektbedrohende Risiken (z.B. Einflussnahme durch Dritte, Korruption, Ressourcen­verschwendung) und evtl. Gegenmassnahmen (risk management)?
  7. Wann hat das vorliegende Projekt begonnen, und wie lange soll die Aktion dauern?
    Konkrete Daten: Beginn, wievielte Phase, wann Ende usw.
  8. Wie wird die Projektwirkung von den Zuständigen festgestellt oder gemessen?
    Abschätzung oder Nachweis der Wirkung, siehe Ziel. Vorkehrungen dazu? =Wirkungsprüfung?
  9. Hält die Verbesserung an, nachdem das Projekt zuende ist? Für wie lange?
    Was wird zu Vorkehrungen dazu gesagt, dass die Projektwirkung nach Weggang nicht verloren geht, Nachhaltigkeit?
  10. Was kostet dieses Projekt/Programm insgesamt von Beginn bis Ende? Pro Jahr?
    Kosten für Material, Ausrüstung, Personal, Betrieb, technische Beratung, Leitung vor Ort insgesamt.

Diese Fragenliste bildet ein Grundgerüst, mit dem wir einschätzen können, wie viel relevante und konkrete Information uns über ein Projekt geboten wird. Die Beantwortung lässt sich nach Punkten bewerten von 0 bis 4, wobei bedeutet:

  • 0 = gar nicht beantwortet
  • 1 ein wenig
  • 2 = halb
  • 3 = ziemlich gut, und
  • 4 = vollständig beantwortet.

Zuletzt gab es eine Einschätzung, wie gut die Projektarbeit der Hilfswerke repräsentiert ist. Die Frage lautet:

3. Ist die Tätigkeit vollständig repräsentiert? Anders gesagt: Sind alle Projekte der Organisation beschrieben, oder nur ein Teil davon?

Dazu muss man 2 Dinge wissen (hat sich als gar nicht leicht erwiesen):

  1. Wieviele Projekte/Programme laufen überhaupt?
  2. Für wie viele davon sind Infos erhältlich?

(2) lässt sich als Anteil von (1) in Prozent ausdrücken. Wenn alle Projekte beschrieben sind, gäbe es eine Wertung von 100%, die Hälfte 50%, usw.

Ergebnisse

Die Transparenz aller 10 betrachteten Hilfswerke ist weit geringer als erwartet. Die Realität: Der Transparenzdurchschnitt beträgt schwache 36.57%! Wir fanden, mindestens ein Wert von 50% müsste sich ergeben, oder mehr. Besonders wenig erfährt man über Risiken, Dauer, Kosten, und Wirkung. Nur 4 von 10 Hilfswerken berichten über alle ihre Projekte!

Weiteres auf aidrating.org oder später auf diesem Blog!