Alliance Sud unterstützt Petition für mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit

Alliance Sud ist zu den Unterstützern der Petition für mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit gestossen! Das haben wir soeben von makeaidtransparent.org erfahren. Willkommen an Bord, Alliance Sud!

Alliance Sud: Mehr Unabhängigkeit und mehr Engagement für Transparenz in der Branche!

Zum 40. Geburtstag von Alliance Sud: Die „Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke“ war 1971 eine kleine Gruppe von Hilfswerken mit engen Verbindungen zu Medien und Politik. Das ist so geblieben: Alliance Sud ist heute eine reine Lobbyorganisation für die Interessen dieser Gruppierung, eng verbandelt mit der DEZA.

Was sie nicht ist: Eine echte Plattform für alle Interessierten. Unser Geburtstagswunsch: Mehr Unabhängigkeit und mehr Engagement für Transparenz in der Branche!

Anmerkungen von IDEAS-Präsidentin Elvira Prohaska zum Anlass: Zur Jubiläumsversanstaltung der Alliance Sud „Die Medien und der globale Süden“ (PDF)

Peter Niggli und Caroline Morel von Alliance Sud luden ein zur Diskussion mit den Medien.

Ein klärendes oder verbindendes Gespräch zwischen den Akteuren ist es nicht wirklich geworden, ein Akt der Selbstdarstellung war es allemal. Die Gespräche am Apéro belegten: Eine Ratlosigkeit im Nebeneinander blieb.

Dennoch wurden einige bemerkenswerte Aussagen gemacht, die, einmal zusammengebracht, im Kontext der Anliegen von IDEAS AidRating durchaus Sinn und Logik machen. Wir beobachten seit Jahren kritisch die wachsende Bürokratie und schrumpfende Praxisnähe in der Entwicklungszusammenarbeit. Einer zunehmenden Virtualisierung ähnlich, verbunden mit noch mehr Werbung und verwirrender Trendsuche auf der einen Seite- während andererseits der Informationsgehalt stetig abnimmt. Wir rufen im Gegensatz zu den ausführenden Akteuren nicht einfach nach „Guter Regierungsführung“ in den Empfängerländern, sondern wir fordern mehr Transparenz über die geleistete Arbeit der Geberländer selbst. Wir entwickeln konkrete, anwendbare Modelle und Leitfäden, wie das geschehen könnte, und erstellen jährlich unsere Transparenz- Studie. Die Medienvertreter, bis auf einige wenige, fanden das durchaus spannend und notwendig. Sie scheuen sich dennoch, darüber zu berichten.

Doch spannen wir einmal den Bogen. Führen wir die wesentlichen Aussagen der Jubiläumsfeier zusammen.

Martin Dahinden, Direktor der DEZA, zitierte Hegel. Er sprach davon, dass „die Form immer die Form des Inhalts ist“, dass das „auch unser Dilemma“ ist, „wenn wir uns mit dem Weltsüden befassen“ und wir „riskieren… den Blick auf die Hintergründe zu verstellen“ und wir „Gefahr laufen“, „eine Art Aufmerksamkeit zu erregen, die letztlich den Inhalt verändert und entstellt“. Er kündigte zudem „Taten“ an, die „zu tun“ seien, und verkündete, dass die DEZA daran ist, „ihre Internet-Kommunikation zu verstärken“.

Wir wollen ihn gerne beim Wort nehmen. Wir erwarten von diesen Aussagen, dass er nicht etwa nur Werbung durch einen neuen „Web-relaunch“ der DEZA meint und die Zuwendung zu den Social Media. Wir erwarten, dass die DEZA wieder zu den grundlegenden Inhalten der Entwicklungszusammenarbeit zurückkehrt und endlich Transparenz über die geleistete eigene Arbeit bietet. Dann entspräche die Form dem Inhalt und die Taten den Worten. Das seit langem von IDEAS an die DEZA herangetragene Thema würde greifbar werden: Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit. Nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel für eine echte inhaltliche Diskussion! Pikant das Internet: Von allen Festrednern wird es als Medium plötzlich als unverzichtbar wichtig für die Öffentlichkeit erklärt. In den wenigen Äusserungen zu unseren Studien wurde stets das Gegenteil gesagt.

Mit seiner höchst informativen Analyse zu „Qualitätsverlust und Schrumpfung der Aussenberichtserstattung“ in der Medienlandschaft bot Kurt Imhof, Professor für Publizistik, Soziologe und Leiter „fög- forschungsbereich öffentlichkeit und gesellschaft“ eine Basis für eine interaktive Diskussion, die, wie wir meinen, auch genutzt werden sollte. Wir sagen: Qualität ergibt sich nicht aus noch so aufwendiger Werbung und PR. Sie oder besser Kompetenz zeigt sich hingegen in der Bereitschaft zum Diskurs.

Wenn dann Anne-Marie Holenstein, Pionierin in der EZA, gemahnte, dass „zum Spezifikum entwicklungspolitischer Informationsarbeit“ gehört, „dass sie immer wieder Handlungsangebote mit Provokationsgehalt macht und dadurch das Bedürfnis nach Information weckt“, fragen wir uns, wo denn die Umsetzung dieses Leitsatzes bleibt? Das Gegenteil ist der Fall: Kritische, also „provozierende“, Meinungen und Forderungen, auch die unseren nach mehr Rechenschaft und Transparenz, werden mit Schweigen zugedeckt oder als „unseriös“ diffamiert. Die Medienschaffenden erwecken gar den Eindruck, als hätten sie Angst, in Ungnade zu fallen, sprächen sie auch nur im geringsten mögliche Probleme bei den Sachwaltern der „richtigen Meinung“ an.

Therese Frösch, SP Nationalrätin und Mitglied der beratenden Kommission für Internationale Entwicklung und Zusammenarbeit, stimmte dem eigentlich zu, indem sie konstatierte: „Unbequeme Fragen sind nie und nimmer auszublenden. Aber in der heutigen globalisierten Welt werden sie, je näher sie uns rücken, je dringlicher sie die Schweiz betreffen, desto mehr ausgeblendet. Die wichtigen richtigen Fragen werden nicht oder zu wenig gestellt“. Wie sehr entspricht das doch unserer Erfahrung!

Ein kurzes Streiflicht noch auf ein Thema, das hierher passt, auch wenn es nicht unbedingt Thema des Podiums selbst war. Es ergab sich am Apero und scheint wohl von einigen als Belastung empfunden zu werden. Einige Vertreter von Hilfswerken stöhnten unter dem, wie sie sagten, „Druck des Wettbewerbs“ in der Branche. Wir merken dazu an: Welcher Druck? Und warum? Von mehr Wettbewerbsdruck auf der Leistungsseite kann nicht die Rede sein.

Im Gegenteil. Fast alle Aufträge werden weiterhin unter der Hand an die üblichen Verdächtigen verteilt. Die neueste „Rettungssschirm“- Aktion des Bundes bei der Fusion Intercooperation / Helvetas zeigt dies deutlich. Wie um zu verdecken, dass Intercooperation, ein ganz vom Bund getragenes Hilfswerk, seit Jahren nachweislich rote Zahlen schreibt, wurde Intercooperation samt der ganzen erfolglosen Equipe, getarnt als „Fusion“, gnädig unter dem Schirm Helvetas versteckt. Ohne die IC- Projekte im Umfang von rund 40 Millionen neu auszuschreiben oder gleich einzustellen.

Angesichts einer derart verpassten Gelegenheit fragen wir: Wo ist da der Wettbewerb und wo sein Druck? Die Forderung der ständerätlichen Kohärenzstudie von 2006 (!) nach mehr Wettbewerb in der EZA wird nach wie vor ignoriert. Schlimmer noch, es wird ihr zuwider gehandelt.

Wenden wir uns also, nach dem Lauschen auf die Worte der Experten in der Entwicklungsbranche, nun den Medien zu. Die suchten sich und ihren Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit auf der Veranstaltung ihrerseits zu erklären. Was auffiel: Das Wort Entwicklungszusammenarbeit gab es nicht aus dem Munde der geladenen Medienfachleute. Die Rede war eher von Auslands- oder Aussenberichterstattung.

Auch sprach niemand im Podium an, was wir als neue Erscheinung wahrnehmen: Open Data ist mittlerweile auch ein Thema, vielleicht sogar das Reizthema im Journalismus geworden. DRS 2 befasste sich in der Sendung Kontext vom 24. April 2011 „Wie Journalisten Zahlenberge zu Stories machen“ damit. Es sollen Raster zur Entschlüsselung von öffentlichen Daten gefunden werden. Dieses Problem ist uns sehr vertraut. Wir sind bei unseren Recherchen laufend mit fehlenden oder kaum interpretierbaren Daten konfrontiert. Wir wären oft schon froh, sie überhaupt vorzufinden. Warum gerade hier anspruchslos bleiben?

IDEAS AidRating fordert seit Jahren Transparenz und freien Diskurs in unserer Entwicklungszusammenarbeit ein, aufgrund realer Erfahrung in Projektarbeit vor Ort.

Mit mehr Transparenz zu genau dieser könnten die Medien wieder klarer sehen, ebenso informieren. Befreit vom Dickicht der individuell kreierten Datendschungel eines jeden Hilfswerkes könnten sie sogar Interesse an Recherche und Vertiefung finden. Es könnte wieder einige Medienschaffende geben, die von Entwicklungszusammenarbeit „etwas verstehen“, und nicht wie Peter Niggli fast schmerzlich sinnierte „Niemand mehr, der das heutzutage tut“. Wobei zu fragen bleibt: Wie steht es mit dem Einfluss seiner Lobbygesellschaft, in dieser Sache mehr zu tun?

Mit Transparenz hätten die Politiker bessere Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen. Auch teure Abenteuerreisen zur Beeinflussung anstehender Abstimmungen, wie jüngst vor der Debatte zur Erhöhung des EZA-Budgets mit einigen Politikern nach Afrika, von Frau Frösch eingangs noch als Bereicherung lobend erwähnt, würden den Steuerzahler nicht mehr belasten.

Transparenz ist Vorbedingung für bessere EZA

Gut, dass es jetzt IATI und publishwhatyoufund gibt! Sie sind aus der Accra Agenda entstanden. Endlich ist irgendwo der Groschen gefallen, dass es ohne volle und alle Projekte abdeckende Transparenz nicht möglich ist, wichtige Lernerfahrungen zu machen und damit die EZA weiterzubringen. Dazu gehören: Dimensionen der Hilfe sehen. Wissen wo was gemacht wird. Wie es gemacht wird. Was die Schwerpunkte sind. Endlich sollten wir die Möglichkeit bekommen, Erfahrungen in einer Gesamtschau zu sehen und zu vergleichen. Damit käme man der Antwort näher, ob und wo EZA nützt, und wo nicht. Dazu der neue englischsprachige Devex-Blog “Full Disclosure”.

Wenn die Gewährsleute Rosemary McGee and John Gaventa von DFID sagen, “evidence on the impact of transparency is scarce” so müssen wir daran denken, dass es bisher mangels ebendieser Transparenz gar nicht möglich war, deren Nutzen zu belegen. Es gibt jedoch so viele direkt auf der Hand liegende sinnvolle Nutzungen, die damit möglich würden, dass schon die Tatsache, dass diese Nutzungen jetzt nicht möglich sind, eine Art indirekter “evidence” sind. Natürlich ist es prinzipiell einer modernen Gesellschaft unwürdig, wenn Institutionen aus ihren Tätigkeiten im öffentlichen Auftrag ein Geheimnis machen. Volle Offenlegung ist ein Grundsatz von grosser Tragweite.

Ebenso wichtig scheint mir: Der direkte Nutzen für die Praxis (Entwicklungszusammenarbeit braucht Transparenz, PDF), das heisst für bessere Arbeit vor Ort, wird erheblich sein. Das ist mir besonders lieb und teuer.

Jan Stiefel

“Reporter” SF1 in Mali

Zunächst einmal: Ich mag die Sendung „Reporter“. Die Bilder aus Mali haben mich sehr angeheimelt. Ich habe dort zweieinhalb Jahre als FAO-Feldexperte gearbeitet, stets „en brousse“. Und ich fühlte mich mit diesen Menschen sehr wohl.

Zur Sendung

Entwicklungshilfe kritisch zu hinterfragen scheint mir richtig. Dies sollte weit mehr geschehen. Es ist auch gut, vor Ort zu sehen, wie der Alltag der Menschen aussieht. Dann aber: Der Anlass soll gewesen sein, dass ein Patenkind starb. Das wollte die Reporter-Equipe dort näher überprüfen. Wie sich zeigte, hat das betroffene Hilfswerk einige lokale Mitarbeiter vor Ort. Was die tun, erscheint eigentlich ganz in Ordnung- soweit sich die Kamera dafür überhaupt interessiert.

Die Reporterin aber scheint hergekommen zu sein mit dem Entschluss, einen Verriss zu drehen. Das zeigt ihr Hang zum Nörgeln: Dass es da etwa „grossen Bahnhof“ gibt, wenn eine Schweizer Journalistin mit Kameratross im Dorf anreist, ist bei Kenntnis der Gepflogenheiten selbstverständlich. Es reicht für einen Verdacht nicht aus. Die Bambara lieben das Formelle. Ebenso, dass die Ältesten das Wort ergreifen und nicht die Jungen. Auch dass die Mitarbeiter des Hilfswerks daneben stehen ist üblich. Meine Güte! Bei all der Betroffenheit hätte Frau Pfalzgraf sich wenigstens das Wort „Bambara“ korrekt beibringen lassen dürfen.

Was das Hilfswerk gewiss erklären sollte, ist der anscheinend hohe Anteil an Geld, der offenbar für „Administration“ abgeht. Die Frage ist berechtigt und wird gestellt. Richtig gebohrt wird ausgerechnet hier aber nicht. Bleibt das verstorbene Patenkind: Man erfährt so nebenbei, dass es auf einer Reise nach Guinea an Malaria erkrankte und starb. Also nichts, wofür das Hilfswerk etwas kann.

Dennoch wird der Eindruck gepflegt, das Problem seien eigentlich die Kinderpatenschaften. Und da wird mir klar: Es handelt sich um eine Werbesendung für die ZEWO, die Schweizer Zertifizierungs-Monopolistin für alles Humanitäre. Es ist deren Steckenpferd, stets gegen Kinderpatenschaften vom Leder zu ziehen. Dabei sind diese im entwicklungspolitischen Umfeld vergleichsweise bedeutungslos. Eher betrifft es die Spenderschaft, die damit bevormundet wird.

Aber das Ding mit den Patenschaften ist im Kasten und zum scheinbaren Hauptproblem umgenutzt. Das hilft einmal mehr, unliebsame Konkurrenz vom Kuchen der Spenden und öffentlichen Gelder in der Schweiz fernzuhalten.

Jan Stiefel

AidRating und die Sache mit der “Empörung”

Diebstahl von Schriftzug empört die Welt

Diebstahl von Schriftzug empört die Welt

Soeben haben wir die wichtigsten Ergebnisse unserer Transparenzrating 2009 TCR2 ins Netz gestellt und auch den Medien zukommen lassen. Sie zeigt, wie wenig die Öffentlichkeit über die konkrete Entwicklungsarbeit unserer Hilfswerke erfährt. Gerade auch über deren Wirkung.

Es heisst aber nun in einzelnen Berichten, das Rating „empöre“. Wie das? Wen denn? Empörung hat einen moralischen Beiklang. Man „empört“ sich über Taten, die grob wichtige Werte wie die Menschenwürde, die Totenruhe, oder, wie eben dieser Tage, das Gedenken an die Schrecken von Auschwitz verletzen. Diebstahl von Schriftzug empört die Welt.

Was davon verletzt AidRating? Nichts. Ausser, die Hilfswerke und ihre Arbeit seien für sich selber derart geheiligt, dass jede Frage nach ihrer Transparenz ein moralisches Unrecht wäre.

Dem ist aber nicht so. Es müssen auch Ansätze erlaubt sein, die den Sachwaltern des Status Quo nicht behagen. Wenn die sich dann „empört“ geben, zeigt dies allenfalls ihren Besatzeranspruch auf alleinige Moralität. Nachschwatzen in einzelnen Medien deutet dann eher auf Sprachverluderung durch unreflektierten Gebrauch. Wir mögen uns darüber nicht „empören“. Aber etwas ärgern, ja, das schon.

Jan Stiefel

Die OECD und die Schweizer EZA

Am 9. November ist die OECD-Beurteilung der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit vorgestellt worden. Das heisst “Peer Review“. Eine solche erfolgt alle 4 Jahre. Nachdem seit der letzten, also 2005, einiges geschehen ist, konnte man ihr mit Interesse entgegensehen.

Die DEZA liebt es, auch kleinste Ereignisse, bei denen die Schweizer EZA gelobt wird, im Aufmacher breit zu streuen. Das eigentlich seltene und wichtige Ereignis wurde demgegenüber nur verhalten kommentiert. Dies ist ein Hinweis darauf, dass die deutliche Kritik, zwar wie üblich diplomatisch gehalten und eingehüllt in lobende Passagen, durchaus als solche wahrgenommen worden ist.

Besonders aufgefallen sind uns die folgenden Empfehlungen, sinngemäss übersetzt:

Was wir lasen:

„Die Anstrengungen der Schweiz zur verbesserten strategischen Kohärenz in der EZA werden willkommen geheissen.“

Was wir verstanden:

„Endlich wird etwas gegen die Verzettelung der Themen getan und die EZA besser auf wichtige Themen ausgerichtet, vor allem auf Armutsbekämpfung und Nachhaltigkeit.“

Was wir lasen:

„Die Schweiz sollte ihre Bemühungen um Information … der Öffentlichkeit steigern, und … systematischer über die Wirkung ihrer Programme berichten.“

Was wir verstanden:

„Bitte mehr Transparenz in der Berichterstattung und mehr Information zu den Ergebnissen eurer Arbeit“.

Was wir lasen:

„Um mehr Wirkung bei der Armutsbekämpfung zu erzielen, sollte die Schweiz ein Ziel von 0.5% BIP und höher ins Auge fassen… Dabei sollte die wirksamste Nische gesucht werden. Entwickelt dabei eine transparentere Zusammenarbeit mit NGOs … und anderen Partnern.“

Was wir verstanden:

„Erhöht die Entwicklungshilfe-Budgets, und tut gleichzeitig etwas für mehr Wirksamkeit und transparentere Zusammenarbeit mit euren Partnern“.

Was wir lasen:

„Zur Verstärkung der organisationalen Reform sollte die Schweiz … vorhandenes Expertenwissen pflegen, … Evaluation als Instrument nutzen, um sich klare Ziele zu geben, … einen systematischeren Management-Ansatz suchen, … und den Bestand an Mitarbeiterwissen in Hinblick auf die neuen strategischen Ziele erhalten. “

Was wir verstanden:

„Führt ein professionelleres Management ein und vermeidet, dass die Felderfahrung verlorengeht und sich eure Ämter noch weiter bürokratisieren“.

Es gab natürlich noch mehr, so etwa Lob für den humanitären Bereich und für die multilaterale Präsenz der Schweiz. Auch dem können wir ganz gut folgen.

Was die DEZA sagt: In seiner vorsichtig-gedämpften Stellungnahme sagt DEZA-Direktor Martin Dahinden abschliessend, an die Schweizer Öffentlichkeit gerichtet: „Ich wünsche, dass mehr über das Wie, und weniger über das Ob der internationalen Zusammenarbeit Debatten geführt werden.“

Wir verstanden das als DEZA-Selbstkritik: Eben zum „Wie“ der EZA haben wir in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Vorschlägen gemacht und veröffentlicht, denn wir wollen schon lange mehr Transparenz, bessere Evaluation und mehr Wirkung.

Bis jetzt hat sich die DEZA jedoch schwer getan mit dem „Ob“. Nämlich „ob“ sie bereit ist, sich mit den Ideen einer NGO wie IDEAS AidRating zu befassen.

Jan Stiefel

11. September: Feuer in den Elfenbeintürmen

Terroristen sind dieser Tage nicht am Werk, keine Menschenleben sind in Gefahr. Doch das Bild drängt sich heute auf: Die selbstgewählten Elfenbeintürme der DEZA und der Entwicklungs-NGOs wackeln bedenklich.

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat soeben Empfehlungen betreffs Zusammenarbeit mit NGOs besonders an die Adresse der DEZA gerichtet, die es in sich haben, und fordert den Bundesrat auf:

  1. Für die Anwendung wettbewerblicher Vergabeverfahren zu sorgen.
  2. Massnahmen zur Verbesserung der Kontrollmechanismen zu treffen, um das Risiko der Zweckentfremdung der für NGOs gesprochenen Mittel einzuschränken.
  3. Bezüglich der Kriterien bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und vor allem bei der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen für mehr Klarheit und Transparenz zu sorgen.
  4. Zu prüfen, inwiefern die gesetzlichen Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit die heutigen Anforderungen … erfüllen.¨
  5. Darauf hinzuwirken, dass die Gesetze und Vorgaben innerhalb eines Tätigkeitsbereichs einheitlich angewendet werden.

Nachdem man uns bei AidRating bisher ausgegrenzt und unsere Seriosität in Zweifel gezogen hat, sehen wir unsere Befunde in wesentlichen Teilen von offizieller Seite bestätigt: Monopole, kartellartige Strukturen, kaum Transparenz.

Die DEZA und die von ihr bevorzugte Zertifizierungsstelle ZEWO, deren Versagen im eigenen Kernbereich offensichtlich wird, schweigen auf ihren Homepages bisher (11.9.09) betreten dazu.

Der Bundesrat sollte bis Februar 10 Stellung nehmen. Wir sind gespannt!

Mikrokredite II: Ablasshandel für Investoren

Schon wieder lese ich irgendwo in den Medien von Mikrokrediten für Arme. Sie seien, steht da, auch für hiesige Kleinanleger interessant.

Kann sein. Aber sind sie darum auch gut für die Kleinkredit-Nehmer? Im gegenwärtigen Hype um Mikrokredite glaubt wieder mancher, wenn er das Wort anwendet, sei er gleich eine Art Entwicklungsexperte.

Eine alte Wahrheit im Entwicklungswesen aber heisst: Erst muss ich die Problematik verstehen, bevor ich mit Rezepten dreinfahre. Und einmal mehr wird diese Wahrheit sträflich missachtet. Diesmal, weil anscheinend verunsicherte Anleger (nicht nur Männer) und ihre Agenturen nach dem blauen Börsen-Wunder nach Möglichkeiten suchen, ihr Geld doch noch irgendwo sicher anzulegen. Gewinnbringend dazu. Und, wie es scheint, mit einem Gewissens-Bonus obendrein.

Mikrokredite sind nämlich nur sinnvoll, wenn sie unter ganz bestimmten Kriterien angewendet werden. Ein paar Beispiele: Zunächst muss die Gesellschaft im Zielland ausreichend monetarisiert sein, d.h. in Geldwirtschaft bewandert. Das ist nicht selbstverständlich. Dann dürfen sie nicht traditionelle Solidarität aushebeln: Wenn etwa ein(e) Mikrokreditnehmer(in) nicht mehr an Gemeinschaftsaktionen teilnimmt oder nehmen kann, weil sie eben die Raten und Zinsen erwirtschaften will oder muss, dann schadet das der ganzen Gemeinschaft. Häufig betrifft das traditionelle Gemeinschaftsarbeit, etwa gemeinsames Kinderbetreuen, oder Pflege von Gemeinschaftsbesitz wie Allmenden oder Bewässerungsanlagen.

Neulich hörte ich von einem besonders problematischen Beispiel: Ein junger Mann will in Kamerun als „sozialer Unternehmer“ tätig sein. Seine Wirkung wurde beispielhaft dargestellt mit der Geschichte einer Frau, die wie Tausende ihresgleichen Maniokmehl röstet und auf dem Markt verkauft. Sie habe nun mehr Umsatz und damit Geld, ihre Kinder länger in die Schule zu schicken. Also: Gute Wirkung.

Aber nur für sie. Was bei dieser Art Tunnelblick verloren geht, ist: Gesamthaft hat sich nichts verändert, man darf annehmen, der traditionelle Markt für Maniokmehl ist gleich gross geblieben, da er schon lange besteht. Die Frau hat also ihren Umsatz auf Kosten anderer Anbieterinnen ausgeweitet. Die haben nun weniger, deren Kinder können nicht mehr zur Schule, usw. Hauptfolge dieses „guten“ Projektes: Erhöhung der Ungleichheit in der Zielgruppe.

Und auch wenn dies nicht so ist, sind Mikrokredite problematisch. Etwa wenn sie reiner Konsumsteigerung dienen, anstatt zu einem gesamtwirtschaftlichen Mehrwert beizutragen. Solcher Mehrwert bedeutet etwa Erschliessung neuer Produkte und Märkte, Abfederung von Risiken (wie etwa Verarmung durch Krankheit ohne Behandlung), und was dazu gehört. Man könnte auch sagen: Wichtig ist der problembezogene Lösungsansatz. Das klingt einfach, ist aber für Ungeschulte schwer durchschaubar.

Mikrokredite sind, bei vorsichtiger Einbettung, eines von vielen möglichen Hilfsmitteln. Auch im besten Fall brauchen sie begleitende Massnahmen, wie Schulung usw.

Wenn die Warnungen nicht beachtet und die Menge der Kredite immer umfangreicher werden, passiert zuletzt etwa folgendes: Einige Auserwählte im Süden werden mit Mikrokrediten angefüttert, um mehr zu konsumieren. Um weiterhin mehr konsumieren zu können, nehmen sie weitere Kredite. Nun müssen sie aggressiver Umsatz machen und drängen ihre Konkurrenz weiter in die Armut. Das Gefälle wächst, statt zu schwinden.

Steigt die Lebensqualität? Das kann bezweifelt werden. Denn nun müssen sie mehr arbeiten und vielleicht ihre Ellbogen mehr gebrauchen. Die nächste Rate will bezahlt sein. Und so sind sie es, die über die Zinsen die Kreditgeber-Institute und über diese hinaus die Rendite der Anleger bei uns bezahlen.

Und die glauben allen Ernstes, etwas Gutes getan zu haben. Was Sie Ihre Bank fragen sollten: Auf aidrating.org vom 26.8.09 gibt es ein Merkblatt zu „Wann sind Mikrokredite sinnvoll, wann nicht?“

Afro-Pfingsten – an Afrika vorbei?

In der NZZ ist ein beissend-nachdenklich-provokanter Beitrag erschienen zum Afrikabild, das an Afro-Pfingsten transportiert wird.

Der Autor hat da in vielem recht. Bin beeindruckt und fühle mich herausgefordert. Aber die Atmosphäre an Afro-Pfingsten und die Konzerte –besonders am Sonntag- möchte ich dennoch nicht missen. Wenn ich’s mir recht überlege: Ich möchte mehr. Von beidem.

Für meine Emotionen: Die Gerüche, die Musik, die Leute, die entspannt wie selten durch die Gassen schlendern.

Für meinen kritischen Intellekt: Die sarkastischen Fragen zu unserem Afrika-Bild, getrübt durch Klischees und Gönnerhaftigkeit, und zur Selbstverantwortung der Afrikaner.

Jan Stiefel

Mikrokredite: Medizin oder Gift?

Afro-Pfingsten 2009 in Winterthur war im Jubiläumsjahr 2009 ein Publikumserfolg.

Der Anspruch steigt auch in entwicklungspolitischer Hinsicht: Es geht ja um „Eine Welt“. Er sollte schon am Eröffnungsabend bekräftigt werden: Es gab eine Podiumsdiskussion mit Thema „Mikrokredite“. Nur: die Botschaft kam einseitig Pro heraus, und so scheint es, dass sich der Organisator mit dem heiklen Thema übernommen hat.

Nachdem 2006 Mohammed Yunus, Gründer der Grameen-Bank aus Bangladesh, den Friedensnobelpreis bekommen hat, scheint die Vergabe von Mikrokrediten als vermeintliche Lösung schlechthin für alle Entwicklungsfragen in Mode gekommen zu sein.

So war auch der Eindruck mindestens der ersten Hälfte des Abends: Drei Funktionäre von Finanzinstituten, alle mit „Responsibility“ in irgendeiner Form dekoriert, und ein Vertreter von Worldvision erörterten, „woher das Geld kommt“ und „wohin es geht“. Der Moderator war ebenfalls Vertreter einer Mikrokreditfirma, unter Vertrag mit Swisscontact.

In der ersten Halbzeit hätte man sich in einem Seminar für Bankwesen wähnen können. Es ging um die Attraktivität für Investoren, inklusive von Hilfswerken, die ihre Reserven offenbar gewinnbringend anlegen wollen. Also die Renditen, und die Krisensicherheit. Derzeit –wie geschickt angemerkt wurde- besser als andere Papiere. Auch warum „Mikrofinancing“ ein weiter gefasster Begriff ist als „Mikrokredite“ war zu erfahren (weil mehr Massnahmen enthaltend).

Wohin genau und an wen solche Kredite gehen, war schon weit weniger deutlich. Nicht einmal die Grösse dessen, was als „Mikrokredit“ zu gelten hat, wurde recht klar. Es scheint alles möglich zwischen ein paar Dutzend und ein paar Millionen Dollar. Und sie brauchen offenbar nicht nur für produktive Gewerblerinnen reserviert zu bleiben: Auch für den Konsum, etwa Motorroller und Handys, werden solche inzwischen vergeben.

Zwar erfahren wir, dass Frauen bei weitem bessere Schuldnerinnen seien als Männer (Interessant für Investoren). Und: Mikrokredite müsse man besonders gut managen. Dann brächten sie schon die gewünschte Rendite.

Zumindest für die Mikrokreditfirmen und ihre Investoren. Deren Rechnung scheint zu stimmen. Schliesslich kann man die „hohen Verwaltungskosten“ ja bei den Schuldzinsen draufschlagen. Es ging ein Raunen durch den Saal, als vom ghanaischen Podiumsteilnehmer Pat Dobe zu hören war, dort werde ein Schuldzins von rund 32% verlangt. Allerdings bei einer Inflation von rund 20%, wie schnell nachgeschoben wurde.

Immerhin: World Vision und dann auch andere bestätigten auf Einwände hin, dass Mikrokredite nur als Teil eines gut koordinierten Bündels von Massnahmen sinnvoll seien. Man wisse, dass Mikrokredite nicht geeignet seien, „alle“ Probleme zu lösen.

Aber reicht es, Mikrokredite einfach in “begleitende Massnahmen” einzubetten? Wir meinen: Es sollte auch darüber geredet werden, wo Mikrokredite nicht hingehören. Weil sie -wie jedes Instrument- in gewissen Situationen nicht taugen.

Wer sich in Entwicklungsfragen auskennt, weiss: Mikrokredite können auch zerstörerisch wirken. Sie können etwa durch kulturfremde Monetarisierung traditionelle Solidaritätsmechanismen verdrängen. Falsche Anreize setzen. Und neue Abhängigkeiten und Risiken schaffen. Davon hätte auch die Rede sein müssen.

Aber- wie der Freund aus Ghana so schön zeigte- beim Wort „Risiken“ kamen ihm nur jene für die Bank selber in den Sinn. Zeitungsartikel Landbote mit Interview zum Thema hier Mikrokredite sind oft das falsche Rezept.

Jan Stiefel