Alliance Sud: Mehr Unabhängigkeit und mehr Engagement für Transparenz in der Branche!

Zum 40. Geburtstag von Alliance Sud: Die „Arbeitsgemeinschaft der Hilfswerke“ war 1971 eine kleine Gruppe von Hilfswerken mit engen Verbindungen zu Medien und Politik. Das ist so geblieben: Alliance Sud ist heute eine reine Lobbyorganisation für die Interessen dieser Gruppierung, eng verbandelt mit der DEZA.

Was sie nicht ist: Eine echte Plattform für alle Interessierten. Unser Geburtstagswunsch: Mehr Unabhängigkeit und mehr Engagement für Transparenz in der Branche!

Anmerkungen von IDEAS-Präsidentin Elvira Prohaska zum Anlass: Zur Jubiläumsversanstaltung der Alliance Sud „Die Medien und der globale Süden“ (PDF)

Peter Niggli und Caroline Morel von Alliance Sud luden ein zur Diskussion mit den Medien.

Ein klärendes oder verbindendes Gespräch zwischen den Akteuren ist es nicht wirklich geworden, ein Akt der Selbstdarstellung war es allemal. Die Gespräche am Apéro belegten: Eine Ratlosigkeit im Nebeneinander blieb.

Dennoch wurden einige bemerkenswerte Aussagen gemacht, die, einmal zusammengebracht, im Kontext der Anliegen von IDEAS AidRating durchaus Sinn und Logik machen. Wir beobachten seit Jahren kritisch die wachsende Bürokratie und schrumpfende Praxisnähe in der Entwicklungszusammenarbeit. Einer zunehmenden Virtualisierung ähnlich, verbunden mit noch mehr Werbung und verwirrender Trendsuche auf der einen Seite- während andererseits der Informationsgehalt stetig abnimmt. Wir rufen im Gegensatz zu den ausführenden Akteuren nicht einfach nach „Guter Regierungsführung“ in den Empfängerländern, sondern wir fordern mehr Transparenz über die geleistete Arbeit der Geberländer selbst. Wir entwickeln konkrete, anwendbare Modelle und Leitfäden, wie das geschehen könnte, und erstellen jährlich unsere Transparenz- Studie. Die Medienvertreter, bis auf einige wenige, fanden das durchaus spannend und notwendig. Sie scheuen sich dennoch, darüber zu berichten.

Doch spannen wir einmal den Bogen. Führen wir die wesentlichen Aussagen der Jubiläumsfeier zusammen.

Martin Dahinden, Direktor der DEZA, zitierte Hegel. Er sprach davon, dass „die Form immer die Form des Inhalts ist“, dass das „auch unser Dilemma“ ist, „wenn wir uns mit dem Weltsüden befassen“ und wir „riskieren… den Blick auf die Hintergründe zu verstellen“ und wir „Gefahr laufen“, „eine Art Aufmerksamkeit zu erregen, die letztlich den Inhalt verändert und entstellt“. Er kündigte zudem „Taten“ an, die „zu tun“ seien, und verkündete, dass die DEZA daran ist, „ihre Internet-Kommunikation zu verstärken“.

Wir wollen ihn gerne beim Wort nehmen. Wir erwarten von diesen Aussagen, dass er nicht etwa nur Werbung durch einen neuen „Web-relaunch“ der DEZA meint und die Zuwendung zu den Social Media. Wir erwarten, dass die DEZA wieder zu den grundlegenden Inhalten der Entwicklungszusammenarbeit zurückkehrt und endlich Transparenz über die geleistete eigene Arbeit bietet. Dann entspräche die Form dem Inhalt und die Taten den Worten. Das seit langem von IDEAS an die DEZA herangetragene Thema würde greifbar werden: Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit. Nicht um ihrer selbst willen, sondern als Mittel für eine echte inhaltliche Diskussion! Pikant das Internet: Von allen Festrednern wird es als Medium plötzlich als unverzichtbar wichtig für die Öffentlichkeit erklärt. In den wenigen Äusserungen zu unseren Studien wurde stets das Gegenteil gesagt.

Mit seiner höchst informativen Analyse zu „Qualitätsverlust und Schrumpfung der Aussenberichtserstattung“ in der Medienlandschaft bot Kurt Imhof, Professor für Publizistik, Soziologe und Leiter „fög- forschungsbereich öffentlichkeit und gesellschaft“ eine Basis für eine interaktive Diskussion, die, wie wir meinen, auch genutzt werden sollte. Wir sagen: Qualität ergibt sich nicht aus noch so aufwendiger Werbung und PR. Sie oder besser Kompetenz zeigt sich hingegen in der Bereitschaft zum Diskurs.

Wenn dann Anne-Marie Holenstein, Pionierin in der EZA, gemahnte, dass „zum Spezifikum entwicklungspolitischer Informationsarbeit“ gehört, „dass sie immer wieder Handlungsangebote mit Provokationsgehalt macht und dadurch das Bedürfnis nach Information weckt“, fragen wir uns, wo denn die Umsetzung dieses Leitsatzes bleibt? Das Gegenteil ist der Fall: Kritische, also „provozierende“, Meinungen und Forderungen, auch die unseren nach mehr Rechenschaft und Transparenz, werden mit Schweigen zugedeckt oder als „unseriös“ diffamiert. Die Medienschaffenden erwecken gar den Eindruck, als hätten sie Angst, in Ungnade zu fallen, sprächen sie auch nur im geringsten mögliche Probleme bei den Sachwaltern der „richtigen Meinung“ an.

Therese Frösch, SP Nationalrätin und Mitglied der beratenden Kommission für Internationale Entwicklung und Zusammenarbeit, stimmte dem eigentlich zu, indem sie konstatierte: „Unbequeme Fragen sind nie und nimmer auszublenden. Aber in der heutigen globalisierten Welt werden sie, je näher sie uns rücken, je dringlicher sie die Schweiz betreffen, desto mehr ausgeblendet. Die wichtigen richtigen Fragen werden nicht oder zu wenig gestellt“. Wie sehr entspricht das doch unserer Erfahrung!

Ein kurzes Streiflicht noch auf ein Thema, das hierher passt, auch wenn es nicht unbedingt Thema des Podiums selbst war. Es ergab sich am Apero und scheint wohl von einigen als Belastung empfunden zu werden. Einige Vertreter von Hilfswerken stöhnten unter dem, wie sie sagten, „Druck des Wettbewerbs“ in der Branche. Wir merken dazu an: Welcher Druck? Und warum? Von mehr Wettbewerbsdruck auf der Leistungsseite kann nicht die Rede sein.

Im Gegenteil. Fast alle Aufträge werden weiterhin unter der Hand an die üblichen Verdächtigen verteilt. Die neueste „Rettungssschirm“- Aktion des Bundes bei der Fusion Intercooperation / Helvetas zeigt dies deutlich. Wie um zu verdecken, dass Intercooperation, ein ganz vom Bund getragenes Hilfswerk, seit Jahren nachweislich rote Zahlen schreibt, wurde Intercooperation samt der ganzen erfolglosen Equipe, getarnt als „Fusion“, gnädig unter dem Schirm Helvetas versteckt. Ohne die IC- Projekte im Umfang von rund 40 Millionen neu auszuschreiben oder gleich einzustellen.

Angesichts einer derart verpassten Gelegenheit fragen wir: Wo ist da der Wettbewerb und wo sein Druck? Die Forderung der ständerätlichen Kohärenzstudie von 2006 (!) nach mehr Wettbewerb in der EZA wird nach wie vor ignoriert. Schlimmer noch, es wird ihr zuwider gehandelt.

Wenden wir uns also, nach dem Lauschen auf die Worte der Experten in der Entwicklungsbranche, nun den Medien zu. Die suchten sich und ihren Bezug zur Entwicklungszusammenarbeit auf der Veranstaltung ihrerseits zu erklären. Was auffiel: Das Wort Entwicklungszusammenarbeit gab es nicht aus dem Munde der geladenen Medienfachleute. Die Rede war eher von Auslands- oder Aussenberichterstattung.

Auch sprach niemand im Podium an, was wir als neue Erscheinung wahrnehmen: Open Data ist mittlerweile auch ein Thema, vielleicht sogar das Reizthema im Journalismus geworden. DRS 2 befasste sich in der Sendung Kontext vom 24. April 2011 „Wie Journalisten Zahlenberge zu Stories machen“ damit. Es sollen Raster zur Entschlüsselung von öffentlichen Daten gefunden werden. Dieses Problem ist uns sehr vertraut. Wir sind bei unseren Recherchen laufend mit fehlenden oder kaum interpretierbaren Daten konfrontiert. Wir wären oft schon froh, sie überhaupt vorzufinden. Warum gerade hier anspruchslos bleiben?

IDEAS AidRating fordert seit Jahren Transparenz und freien Diskurs in unserer Entwicklungszusammenarbeit ein, aufgrund realer Erfahrung in Projektarbeit vor Ort.

Mit mehr Transparenz zu genau dieser könnten die Medien wieder klarer sehen, ebenso informieren. Befreit vom Dickicht der individuell kreierten Datendschungel eines jeden Hilfswerkes könnten sie sogar Interesse an Recherche und Vertiefung finden. Es könnte wieder einige Medienschaffende geben, die von Entwicklungszusammenarbeit „etwas verstehen“, und nicht wie Peter Niggli fast schmerzlich sinnierte „Niemand mehr, der das heutzutage tut“. Wobei zu fragen bleibt: Wie steht es mit dem Einfluss seiner Lobbygesellschaft, in dieser Sache mehr zu tun?

Mit Transparenz hätten die Politiker bessere Entscheidungs- und Handlungsgrundlagen. Auch teure Abenteuerreisen zur Beeinflussung anstehender Abstimmungen, wie jüngst vor der Debatte zur Erhöhung des EZA-Budgets mit einigen Politikern nach Afrika, von Frau Frösch eingangs noch als Bereicherung lobend erwähnt, würden den Steuerzahler nicht mehr belasten.

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