Mikrokredite II: Ablasshandel für Investoren

Schon wieder lese ich irgendwo in den Medien von Mikrokrediten für Arme. Sie seien, steht da, auch für hiesige Kleinanleger interessant.

Kann sein. Aber sind sie darum auch gut für die Kleinkredit-Nehmer? Im gegenwärtigen Hype um Mikrokredite glaubt wieder mancher, wenn er das Wort anwendet, sei er gleich eine Art Entwicklungsexperte.

Eine alte Wahrheit im Entwicklungswesen aber heisst: Erst muss ich die Problematik verstehen, bevor ich mit Rezepten dreinfahre. Und einmal mehr wird diese Wahrheit sträflich missachtet. Diesmal, weil anscheinend verunsicherte Anleger (nicht nur Männer) und ihre Agenturen nach dem blauen Börsen-Wunder nach Möglichkeiten suchen, ihr Geld doch noch irgendwo sicher anzulegen. Gewinnbringend dazu. Und, wie es scheint, mit einem Gewissens-Bonus obendrein.

Mikrokredite sind nämlich nur sinnvoll, wenn sie unter ganz bestimmten Kriterien angewendet werden. Ein paar Beispiele: Zunächst muss die Gesellschaft im Zielland ausreichend monetarisiert sein, d.h. in Geldwirtschaft bewandert. Das ist nicht selbstverständlich. Dann dürfen sie nicht traditionelle Solidarität aushebeln: Wenn etwa ein(e) Mikrokreditnehmer(in) nicht mehr an Gemeinschaftsaktionen teilnimmt oder nehmen kann, weil sie eben die Raten und Zinsen erwirtschaften will oder muss, dann schadet das der ganzen Gemeinschaft. Häufig betrifft das traditionelle Gemeinschaftsarbeit, etwa gemeinsames Kinderbetreuen, oder Pflege von Gemeinschaftsbesitz wie Allmenden oder Bewässerungsanlagen.

Neulich hörte ich von einem besonders problematischen Beispiel: Ein junger Mann will in Kamerun als „sozialer Unternehmer“ tätig sein. Seine Wirkung wurde beispielhaft dargestellt mit der Geschichte einer Frau, die wie Tausende ihresgleichen Maniokmehl röstet und auf dem Markt verkauft. Sie habe nun mehr Umsatz und damit Geld, ihre Kinder länger in die Schule zu schicken. Also: Gute Wirkung.

Aber nur für sie. Was bei dieser Art Tunnelblick verloren geht, ist: Gesamthaft hat sich nichts verändert, man darf annehmen, der traditionelle Markt für Maniokmehl ist gleich gross geblieben, da er schon lange besteht. Die Frau hat also ihren Umsatz auf Kosten anderer Anbieterinnen ausgeweitet. Die haben nun weniger, deren Kinder können nicht mehr zur Schule, usw. Hauptfolge dieses „guten“ Projektes: Erhöhung der Ungleichheit in der Zielgruppe.

Und auch wenn dies nicht so ist, sind Mikrokredite problematisch. Etwa wenn sie reiner Konsumsteigerung dienen, anstatt zu einem gesamtwirtschaftlichen Mehrwert beizutragen. Solcher Mehrwert bedeutet etwa Erschliessung neuer Produkte und Märkte, Abfederung von Risiken (wie etwa Verarmung durch Krankheit ohne Behandlung), und was dazu gehört. Man könnte auch sagen: Wichtig ist der problembezogene Lösungsansatz. Das klingt einfach, ist aber für Ungeschulte schwer durchschaubar.

Mikrokredite sind, bei vorsichtiger Einbettung, eines von vielen möglichen Hilfsmitteln. Auch im besten Fall brauchen sie begleitende Massnahmen, wie Schulung usw.

Wenn die Warnungen nicht beachtet und die Menge der Kredite immer umfangreicher werden, passiert zuletzt etwa folgendes: Einige Auserwählte im Süden werden mit Mikrokrediten angefüttert, um mehr zu konsumieren. Um weiterhin mehr konsumieren zu können, nehmen sie weitere Kredite. Nun müssen sie aggressiver Umsatz machen und drängen ihre Konkurrenz weiter in die Armut. Das Gefälle wächst, statt zu schwinden.

Steigt die Lebensqualität? Das kann bezweifelt werden. Denn nun müssen sie mehr arbeiten und vielleicht ihre Ellbogen mehr gebrauchen. Die nächste Rate will bezahlt sein. Und so sind sie es, die über die Zinsen die Kreditgeber-Institute und über diese hinaus die Rendite der Anleger bei uns bezahlen.

Und die glauben allen Ernstes, etwas Gutes getan zu haben. Was Sie Ihre Bank fragen sollten: Auf aidrating.org vom 26.8.09 gibt es ein Merkblatt zu „Wann sind Mikrokredite sinnvoll, wann nicht?“

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