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KVI: Weltverbesserung per Strafbefehl

Ein Kommentar zur Unternehmensverantwortungs-Initiative

Sarah Palin, nicht eben für komplexe Denk­ansätze bekannte einstige US-Vizepräsidenten-Kandidatin, wurde einmal gefragt, was sie denn über Russland wisse. Sie soll geantwortet haben: Man sehe dessen Küste von Alaska aus, also kenne sie es.

Ähnlich einfaches Denken scheint der aktuellen Unternehmensverantwortungs-Initiative zugrundezuliegen: Man meint, aus der satten Schweiz heraus Zusammenhänge in weit entfernten Ländern gut genug zu verstehen, um zu tun, was man in der Schweiz gerne tut: darüber zu richten. Kein Wunder, geht in der heftigen Debatte vieles unter. Als Beispiele folgende sonst wenig angesprochene Punkte und ein allgemeiner Gedanke:

Zum ersten: Der Initiative fehlt es an logischer Stringenz. Wenn man sich damit vielleicht abfinden muss, dass Misstände in der Ferne vor Schweizer Gerichten verhandelt werden sollen: Warum sollen dann nur gerade (bestimmte) Privatunternehmen in die Pflicht genommen werden, und nicht gleich alle juristischen Personen, die im Ausland tätig sind und in ihrer dortigen Tätigkeit auf vielfältige, oft kaum verstandene Weise Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt haben, inklusive sogenannt „potentielle“?
Wenn schon, dann wären beispielsweise auch solche der Bau- Reise- oder Tourismusbranche, oder gar Entwicklungsorganisationen mit ihren oft umfangreichen Projekten gerade in besonders armen Ländern einzubeziehen. Fast scheint es, die federführenden Hilfswerke hätten eine Gelegenheit verpasst, auf die sie eigentlich erpicht sein müssten: Nämlich die eigene Sorgfalt und die positiven Auswirkungen ihres Tuns nun nach Verfassungsvorgaben ins rechte Licht rücken zu dürfen. Wie gesagt wurde: Wer anständig wirtschaftet, hat nichts zu befürchten.
Kurz: Ein umfassender Einbezug nicht nur der „üblichen Verdächtigen“, sondern aller betroffenen Kreise wäre konsequent. Fraglich wäre allerdings, ob dann noch viel Zustimmung übrig bliebe.

Zum Zweiten: Kaum je Debattenthema war, dass in jedem Fall „sämtliche Geschäftsbeziehungen“ einer „angemessenen Sorgfaltspflicht“ im Sinn der Initiative zu unterziehen sind. Zu solchen gehören viele Importketten des breiten täglichen Bedarfes. Nur einige mögen beispielhaft genannt sein, um die Problematik anzudeuten, die nach der Annahme der Initiative dann gelöst werden müsste: Wären dann etwa die Tausende km2 Urwald, die für Weiden oder Futtermittel zur Befriedigung unseres Fleischbedarfs oder für Ölpalmenplantagen abgefackelt werden samt Vertreibungen von Indigenen und Kleinbauern usw. gemäss Initiativtext als „geringe Risiken“ einzustufen? Ebensolches gilt für Rohstoffe, von denen es neben den stets erwähnten Seltenen Erden viele gibt: Edelhölzer, Textilien, cash crops wie eine ganze Reihe von mehr oder weniger exotischen Gemüsen und Früchten, durch deren Export Landwirtschaftsflächen in den Ursprungsländern knapp und Preise für die lokale Bevölkerung ins Unbezahlbare gesteigert werden. Wie steht es um die Hochsee-Überfischung, wie um die zahllosen Fisch- und Garnelenzuchten, die weltweit daran sind, Oekosysteme wie etwa Mangrovenwälder zu verdrängen?

Alles harmlos, oder hat einfach keiner daran gedacht? Hand aufs Herz: Es wären nicht nur ein paar «Konzerne» betroffen. Wenn konsequent umgesetzt, hätte das mächtig Auswirkungen auch auf Geldbeutel und gewohnten Konsum jedes einzelnen von uns hier in der Schweiz! Um im Bild zu bleiben: Man stelle sich etwa die jeweiligen „Sorgfaltsprüfungen“ allein etwa von Grossimporteuren wie Coop oder Migros vor, die gemäss Initiative eigentlich fällig wären..

Zuletzt ein persönlicher Gedanke: In einer Verfassung erwarte ich Aussagen, welche die wichtigsten Grundregeln eines Themas oder einer Problematik in ausreichend allgemeiner und damit allgemeingültiger Weise ausdrücken, um nicht nur im politischen Tagesgeschäft, sondern auch noch in Jahrzehnten nach uns Bestand zu haben. So ist unsere Verfassung in weiten Teilen gehalten. Dieser Text aber reiht sich ein in Einschübe aus den letzten Jahren, deren Herkunft aus der Tagespolitik nur zu sehr daran erkennbar ist, dass Wünsche oder Vorbehalte einzelner politischer Akteure eher am Rand des politischen Spektrums deutlich im Vordergrund stehen. Zu diesen gehören namentlich die auf Ausländer zielenden Ausschaffungs- und Begrenzungsartikel samt Durchsetzungsversuch (Verfassung Art. 121 und 121a). Sie kamen bisher von rechts. Nun scheint man anderswo auf den Geschmack gekommen zu sein, dem einen weiteren, ebenfalls partikularem Zeitgeist und der Suche nach Sündenböcken verpflichteten Fremdkörper folgen zu lassen.

Respekt für Menschenrechte und Umwelt ist ehrbar. Die Initiative jedoch erzeugt mehr Fragen und Unsicherheiten als sie zu lösen verspricht. Der Initiativtext wirkt pharisäerhaft, denn er stellt selektiv unter Verdacht und belegt gerade in seiner Länge und in seinen ungelenken Definitionsversuchen eines: Er ist nicht gut durchdacht und damit nicht würdig, Teil der Verfassung zu werden.

Jan Stiefel, 16. Nov 2020

Schweizer IZA am Scheideweg

Im neuen Plan soll Lateinamerika weggelassen werden. Geht es uns nichts mehr an? Bild: Hafenstadt Buenaventura, Kolumbien.

Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen.

Der folgende Text ist heute am 28. Juni 2019 leicht gekürzt als Gastkommentar in der NZZ erschienen. Wir erwogen kurz, ihn mit dem Titel „Bad Governance bei der Schweizer IZA“ zu überschreiben, was in unseren Augen eine gute Zusammenfassung der Zustände wäre.. Wir entschieden uns dagegen, weil uns die Perspektive, eine Verbreiterung des IZA-Gedankens unter NGOs und in der Öffentlichkeit anzustreben, wichtiger erschien.

Wir würden uns eine rege Debatte und selbstverständlich auch Kommentare hier wünschen. Gerne hätten wir Rückmeldungen von NGOs, die am Entstehen einer möglicherweise gemeinsamen Stellungnahme zur Vernehmlassung interessiert sind:

Am 2. Mai hat der Bundesrat den Bundesbeschluss zum Vierjahresplan 2021-24 zur Entwicklungszusammenarbeit (IZA) in die Vernehmlassung geschickt. 40 Jahre lang war das eine Routineangelegenheit. Auch der Etat ist stetig angewachsen, auf inzwischen rund 3 Milliarden/Jahr.

Warum nun eine Vernehmlassung? Wurden die bisherigen Anträge nicht jahrzehntelang im Parlament abgenickt, weil Ziele und geleistete Arbeit für alternativlos richtig galten?

Erstmals seit 1976 sollen sich nun breite „interessierte Kreise“ äussern können. Nicht mehr einzig die „üblichen Verdächtigen“. Hintergrund kann nur ein Unbehagen sein, sodass endlich jemand mehr wissen will. Wird wirklich das Bestmögliche getan? Die Frage ist nur zu berechtigt, angesichts der Weltlage und bisheriger Erfahrungen ist es höchste Zeit, die Routine zu durchbrechen. Wie weiter mit der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?

Die vorgestellten Thesen werden noch zu reden geben. Hoffentlich äussern sich viele, die das Thema kennen, aber nie gefragt wurden. Dazu zählen namentlich die vielen kleinen Hilfswerke, die bis jetzt ohne öffentliche Hilfe tätig waren. Die Frist läuft bis 23. August. Man sollte sie nutzen, denn dass nach 43 Jahren erstmals eine öffentliche Debatte zu Inhalten und Vorgehen in der IZA gewagt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur: das Problem besteht im System selber. Nicht im EZA-Gesetz von 1976. Es ist kurz und hält in Grundzügen fest, was noch heute gelten darf.

Die Verordnung zum Entwicklungshilfegesetz hat ein Königreich geschaffen

Der Fehler liegt in der bundesrätlichen Verordnung von 1977 dazu. Sie bestimmt gleich im ersten Artikel, welche Bundesämter zuständig sein sollen, samt breitesten Kompetenzen. Dies ist in erster Linie die damals neu zu gründende heutige DEZA. Staatspolitisch naiv, weil ohne wirksame checks und balances, aber bei wenigen Millionen jährlich vielleicht verständlich.
Was wurde daraus? Fazit nach 40 Jahren: Mit der Vervielfachung des Budgets und daraus folgenden Verflechtungen hat sich dieses obrigkeitsgläubige Konzept nicht nur überlebt, sondern in einer Weise pervertiert, wie man es sonst nur aus autoritären Staatsgebilden kennt: Ein abgeschottet unnahbarer Apparat ist entstanden. Er kontrolliert die gesamte IZA-Tätigkeit und die Finanzen dazu. Mit Blick auf den Kranz der davon abhängigen NGOs und Institutionen sieht das demokratisch aus, aber nur ganz Wenige haben die Kontrolle: Die „Behörde“ bestimmt nach Gutdünken, wer Aufträge erhält und wer nicht, welche NGOs und Institute Beiträge bekommen, und immer: wieviel an Geldern wo zugeteilt wird. Alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wer nicht spurt, bekommt nichts. Fokus sind nicht Länder in Not, sondern Interessengruppen in der Schweiz: Wo es passt, werden scheinbar eigenständige NGOs gegründet, etwa zum Zweck der Geldverteilung in ausgewählten Regionen. Andere werden still und leise fusioniert, wenn sie trotz Bundesmillionen nicht zurechtkommen. Man setzt die eigenen Leute auf Positionen in internationalen Organisationen wie OECD, Weltbank, usw. und nimmt Einfluss auf die Bestallung zahlloser Forschungs- und Lehrpositionen. Wen wundert, dass all die Beglückten stets das Loblied der Schweizer IZA singen? Anderes hätte unverzüglich Streichung von Geldern oder das Ende der Karriere zur Folge. Trotz feudaler Strukturen hat es die DEZA fertiggebracht, in der Schweiz als Inbegriff guter IZA schlechthin zu erscheinen.

Die jetzt vermeintlich neuen Ziele werden nichts ändern. Der Staat im Staate bleibt. Und dies in der zutiefst demokratischen Schweiz? Anderswo gelten dergleichen Zustände als typisch für „Bad Governance“. Sind zu viele für die Missstände blind, weil sie immer noch an den Mythos der „humanitären Schweiz“ glauben wollen?

Die gute Nachricht ist: Der Bundesrat könnte die Verordnung in Eigenregie jederzeit so ändern, dass ein brauchbares Konzept daraus würde. Ein solches sollte sachgerechtere Rahmenbedingungen schaffen zum Vollzug des Gesetzes: Niedrigere Hürden zur Beteiligung breiterer Kreise, Gewaltenteilung und wesentlich mehr Transparenz. Ämter wie die bisher fast alles bestimmende DEZA bekämen klare Aufgaben: Verwaltungstechnische Betreuung und Koordination.

Wir brauchen IZA. Unseretwegen

Internationale Zusammenarbeit ist nicht ein banales Routinegeschäft wie viele, das an eine Verwaltungseinheit ausgelagert und dann vergessen werden kann. Sie ist, mindestens so sehr wie die Lösung der Klimaproblematik und weiterer grosser Herausforderungen, eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht, denn sie ist mit allem anderen verbunden. Dabei hilft, vielfache Beziehungen zu anderen Ländern und ihren Menschen zu pflegen. Es täte unserem politischen Diskurs dringend gut, wenn mehr Menschen hier die Wechselwirkungen mit dem Leben Ungezählter in anderen Erdteilen besser verstehen könnten. Und was kann solches Verständnis mehr fördern, wenn nicht konkrete Auseinandersetzung vor Ort?

Medien und Internet liefern viele, auch falsche Bilder und Interpretationen. Wir brauchen mehr denn je einen sicheren inneren Kompass, um uns im Widerstreit der Ideologien zurechtzufinden und uns zu behaupten. Nicht weil wir technisch und moralisch überlegen sind, braucht es IZA. Es sind wir alle, die diese brauchen, um uns der Realität am anderen Ende der Welt auszusetzen und so die Bodenhaftung zu bewahren. Unsere Gelder und Technologien sind der kleine Preis, den wir zahlen. Es sollte uns daran gelegen sein, dass möglichst viele aus unserem Land im Lauf unserer beruflichen Laufbahn wenigstens zwei, drei Jahre weit weg von unserem Dunstkreis in der Ferne mit dem auseinandersetzen, was dort Sache ist.

Verzetteln wir uns!

Damit etwas besser wird, braucht es Vielfalt und Widerspruch. Und zwar hier bei uns. Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen. Wir sollten lernen, IZA hierzulande auf eine viel breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. Mehr Beteiligte, mehr an dringend benötigten Ideen. Es gibt Viele, die bereit wären sich zu engagieren, wenn sie nur Gelegenheit und Anleitung hätten. Beteiligen wir sie, es ist möglich. DEZA & Co. sind nicht der Vatikan, und ihre Experten sind ebensowenig unfehlbar wie der Papst.

Wo bleibt die Debatte?

Wo sind also die Journalisten, die es wagen, weiterzufragen, auch wenn man ihnen bedeutet, Kritik könnte der eigentlich „guten Sache“ schaden? Wo sind die Mitarbeitenden, die nicht aus Angst um ihre Karriere schweigen, wenn sie Unstimmigkeiten und Fehlentwicklungen sehen? Wo sind die Experten, die nicht auf Folgeaufträge schielen, sondern ihrem Auftraggeber klipp und klar zu sagen wagen, wenn ein Projekt nichts taugt? „Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!“

Effektiver Altruismus, Give Directly et al.

In den vergangenen Jahren hat man immer wieder gehört vom  „effektiven Altruismus“ und von Organisationen wie „Give Well“ oder „Give Directly“. Wir werden seither immer wieder zu unserer Meinung dieser „Bewegung“ gegenüber gefragt. Hier beispielhaft Interviewfragen, gestellt im Januar 2018 von einer Schweizer Uni-Absolventin für ihre Bachelor-Arbeit.

Interviewfragen –  IDEAS Aid Raiting

Vorbemerkung AidRating: Wir betrachten in erster Linie Transparenz und Wirkung von Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit (EZA), d.h. der Tätigkeiten, die zu einer besseren Bewältigung des Lebensumfeldes in „Entwicklungsländern“ durch die Menschen dort führen sollen. Die Antworten beziehen sich stets auf diese Grundvoraussetzung.

Spenden

  1. Sie messen NGO’s nach Ihrer Transparenz und Qualität. Wie sehen Sie die derzeitige Situation im Schweizer Spendenmarkt? Sind die Hilfswerke gut aufgestellt, ist Ihre Wirkung transparent?

Wir messen die Transparenz, nicht die „Qualität“. Letztere sollte Gegenstand der Debatte werden, ermöglicht durch Kenntnis der Ziele und Tätigkeiten -dank „Transparenz“.

Die Berichterstattung der grossen Hilfswerke war nie besonders transparent, am wenigsten wenn finanziert von der DEZA, also der staatlich kontrollierten EZA. Das konnten wir schon vor Jahren statistisch belegen (LINK)

Man muss annehmen, dass weniger an wünschbarer Wirkung erzielt wird als behauptet. Die grossen und bekannten Hilfswerke hängen inzwischen fast völlig von der DEZA ab, Spenden spielen eine immer geringere Rolle.

Es gibt aber viele kleine und kleinste Hilfswerke, wo oft mit viel Herzblut und Redlichkeit versucht wird, zu helfen. Obwohl sie oft Knowhow und Finanzen gut gebrauchen könnten, bleiben sie bei der undurchsichtigen staatlichen Geldzuteilung meistens aussen vor.

 

  1. Glauben Sie, dass die Mehrheit von NGO’s momentan genug effektiv agieren? Braucht es Ihrer Meinung nach eine evidenzbasierte Wirkungsmessung?

Zum ersten Teil Ihrer Frage: Bei Hilfswerken unter DEZA-Einfluss: Nein. Je mehr staatliche Gelder, desto träger werden sie. Bei anderen: Können fallweise gute Arbeit leisten.Da die führenden Agenturen hier keine taugliche Richtschnur bieten, muss das im Einzelfall ermittelt werden.

Zum zweiten Teil:

  1. Wirkungsmessung oder besser –abschätzung aufgrund von geeigneten Indikatoren wäre gut und zu fördern.
  2. „Evidenzbasierte“ Wirkungsmessung, wie sie jetzt als Modebegriff kursiert, ist untauglich, solange dabei gezielt und damit unzulässig vereinfacht wird: Ohne angemessene Grundlage, also willkürlich werden Einzelaspekte herusgepickt, in Zahlen verwandelt und als Erklärung für komplexe Gesamtzusammenhänge ausgegeben. Es handelt sich um klassische Pseudowissenschaft, die Verwirrung stiftet und hoffentlich bald wieder verschwindet.

 

  1. Sehen Sie einen Handlungsbedarf, um eine evidenzbasierte Entwicklungshilfe mit Wirkungsstudien zu fördern? Oder glauben Sie weniger, dass Wirkungsstudien sinn machen?

Wenn es um Indikatoren wir unter 2 a) erörtert: Ja, kann nützlich sein. Am besten aber ist es, wenn in den Projekten selber schon ein Wirkungsmonitoring eingeplant ist. Wenn zu b) gehörig: Irreführend. Schnellstmöglich auf den Kehricht damit.

 

  1. Sehen Sie es positiv, dass es schon nur in der Schweiz eine so hohe Anzahl an Hilfswerken gibt?

Ja Vielfalt bringt Zuganz zu Erfahrungen auch von hiesigen Akteuren, und sie bringt Diversität.

 

  1. Sehen Sie eine Relevanz, dass Privatspender effektiv spenden? Oder ist es wichtiger, dass sie überhaupt spenden?

Wir finden sinnvoll, wenn sich Leute beim Spenden Gedanken machen über Ursachen und Zusammenhänge, und wenn sie sich mit Tätigkeiten und Zielen der betreffenden Hilfswerke auseinandersetzen. Wir brauchen mehr Bewusstsein darüber, in was für einer Welt wir leben, und warum es Privilegierte gibt und andere. Spenden nur um sich gut zu fühlen oder sein Gewissen zu beruhigen halten wir für fragwürdig.

 

  1. Studie über effektives Spendenzeigen, nur 20% der Spender sind tatsächlich interessiert, was die Spende oder das Hilfswerk tatsächlich nützt, sehen Sie hier Handlungsbedarf?

Ja, siehe Antwort zu Frage 5. Genau deswegen finden wir auch Transparenz nötig.

 

  1. Ist es in der Pflicht der Privatspender, des Hilfswerkes oder des Staates, dass Spenden effektiver werden? Oder soll spenden weiterhin aus einem Mitgefühl getan werden und weniger aus dem Effizienzgedanken?

Man kann es nicht zum Gesetz erheben. Aber mehr Auseinandersetzung mit den Ursachen wäre nicht nur für gezielteres Spenden gut, sondern auch für uns: Mehr Nachdenklichkeit darüber, woher unser Wohlergehen stammt, wie es mit dem Rest der Welt zusammenhängt. Auch Empathie darf dazugehören, die über das Ansehen trauriger Kinderaugen hinausgeht.

 

  1. In einem Artikel des EA habe ich gelesen, dass Privatspender diese Hilfswerke erhalten, welche sie verdient haben? Wären Hilfswerke effektiver, wenn wiederum Privatspender mehr auf die Effektivität achten würden?

Diese Frage verstehe ich nicht.

 

  1. Sie kritisieren die Zewo ziemlich scharf, da diese eher einen Fokus auf die Buchhaltung und Administrativen Kosten setzen und weniger auf Wirksamkeit und Transparenz. Glauben Sie, dass die Zewo ihre Standards verändern muss, damit sie in der Schweiz weiterhin ernstgenommen wird?

Es sollte Alternativen zur ZEWO geben, damit die Menschen eine Wahl haben und die jeweils angewandten Kriterien vergleichen können. Darum versuchen wir, ein alternatives Siegel zu lancieren. ZEWO betrifft im übrigen nicht nur EZA, sondern alle möglichen Arten von Hilfswerken und ist allein darum schon sehr unspezifisch.

Übrigens hat die ZEWO einen weiteren Makel, der weitgehend unbeachtet bleibt: Das ZEWO-Zertifikat wird missbraucht als eine Art DEZA-Filter zum Fernhalten unerwünschter Hilfswerke: Es wurde bisher von der DEZA als Vorbedingung für finanzielle Beiträge gestellt.

  1. Führen Sie in Zukunft weiterhin eine Transparenz Rangliste durch?

Wenn mehr Kräfte und Mittel zur Verfügung stünden, täten wir dies und noch mehr.

 

Effektiver Altruismus

  1. Wie stehen Sie allgemein zur Bewegung des Effektiven Altruismus? Ist es ein Thema bei Ihnen? Oder halten Sie, deren Bewegung für nicht so relevant?

Eine Modeströmung, unseres Erachtens ausgeheckt von Schreibtischtätern und Erbsenzählern in den USA, die keine Ahnung haben von den Realitäten vor Ort. Hoffentlich verschwindet sie bald.

 

  1. Ist es positiv, wenn Hilfswerke nach der reinen Effektivität ausgesucht werden?

 

Wen Sie das in der engen Definition des „Eff. Altr.“ meinen, dann ist die Antwort einmal mehr Nein. Oder eher: Man sollte sein Spendengeld nicht vergeuden und besser anderen spenden.

 

  1. Wo sehen Sie Potential bei dieser Bewegung? Oder haben Sie einzelne Punkte, welche Sie von der Bewegung positiv finden?

Das einzig Positive, das ich dabei sehe, ist, dass sich junge Leute überhaupt mit der Problematik auseinandersetzen. Allerdings nur, wenn dann auch weitergefragt wird und es vielleicht zu einer vertieften Auseinandersetzung mit der Sache kommt.

 

  1. Wo sehen Sie Risiken bei dieser Bewegung?

Vergeuden von Zeit und Ressourcen, bis die Leere dieser „Lehre“ durchschaut wird.

 

  1. Sie äussern sich eher kritisch gegenüber der Organisation GiveDirectly? Beäugen Sie auch allgemein Wirkungsmessung durch evidenzbasierte Studien kritisch? Glauben Sie, dass es wichtiger ist vor Ort die Situation zu sehen, als die Effektivität durch Wirkungsstudien zu messen?

 

Ich möchte warnen: Die Form der Frage nimmt schon vorweg, dass das, was „Give Directly“ macht, „evidenzbasiert“ ist und „Wirkung“ misst. Beides kann allenfalls bei einem Tunmnelblick unter Ausklammerung von allem übrigen behauptet werden.

Es gibt auch so schon ernstzunehmende Studien, die versuchen, die komplexen Zusammenhänge einigermassen in den Griff zu bekommen. Da gibt es auf der Welt Tausende seriöser Leute in seriösen Institutionen, die sich seit vielen Jahren darum bemühen. Dass da einige kommen und glauben oder so tun, als hätten sie jetzt die Wirkungsmessung entdeckt, ist geradezu grotesk.

Es gelten die Ausführungen zu Frage 2 und jene in unserem Blog, die nach vertiefter Lektüre der Berichterstattung und Argumentationsweise erfolgten. Hier nochmal, besonders die Antwort auf den Kommentar von Jonas Vollmer könnten etwas bringen:

http://aidrating.net/geschwaetz-bar-auf-die-kralle/#comments

Ich glaube nicht, dass sich irgendwo seriöse (sozial)wissenschaftliche Forschungsinstitutionen auf diese Sache auf Dauer einlassen werden.

Jan Stiefel

IDEAS-Standpunkte zur Schweizer EZA

Wege zum Umgang mit der bundesrätlichen Botschaft zur Entwicklungszusammenarbeit 2013-2016

Auf 322 Seiten behandelt die Botschaft zur Entwicklungszusammenarbeit 2013-2016 Vorstellungen zur Ausgabenpolitik der kommenden vier Jahre. Die Erhöhung der Hilfe ist richtig, wenn sie transparent und mit klaren Prioritäten geplant wird, an denen sich die Ergebnisse dann messen lassen. Aber es ist Aufgabe der Zivilgesellschaft und der Politik, diese Prioritäten und Ziele festzulegen. Mit einer durchdachten Entwicklungspolitik hätte die Schweiz ein wichtiges Instrument ihrer Aussenpolitik und damit ihres Selbstverständnisses in Händen. Genutzt wird dieses Instrument seit Jahrzehnten kaum. Auch die neue Botschaft enthält zwar die unerlässlichen Ausgabentabellen, ansonsten aber derart unklare und austauschbare Vorgaben, dass diese einem Freibrief zur Beliebigkeit gleichkommen.

Es ist nötig und sinnvoll, die EZA als Teil einer Aussenpolitik zu sehen, die die langfristigen Verpflichtungen und Interessen eines an Respekt und Mitsprache in internationalen Gremien, Stabilität, wohlwollenden Freunden und an prosperierenden Handelspartnern interessierten kleinen Landes pflegt und fördert. Einer Amtsstelle und ihren Beamten steht es nicht zu, die Entwicklungspolitik zu definieren und auch nicht zu entscheiden, wer an ihrer Gestaltung mitwirken darf und wer nicht. Der Grundsatzdiskurs ist Sache der Parlamentskammern und der Zivilgesellschaft, bei der Ausführung muss mehr Wettbewerb und echte Leistung hinzukommen. In diesem Rahmen soll auch das Budget wie beantragt wachsen können.

Pünktlich zur Debatte ist von der DEZA eine Evaluation präsentiert worden, die sich mit dem Engagement in „fragilen Staaten“ befasst, dem Gebiet also, wo die DEZA vermehrt aktiv werden will: Trotz diplomatischer Formulierungen erweist sie sich als kritisch gegenüber den operationellen DEZA-Fähigkeiten und moniert auch die Unklarheit dessen, was „fragil“ überhaupt heissen soll. Es ist oft von „Potential“ die Rede. Das heisst im Klartext: Man könnte etwas besser machen, tut es aber nicht. Dies betrifft das gesamte Spektrum, vom Definieren stategischer Vorgaben hin zum gezielten Sammeln von Fakten im Feld und dem Treffen konkreter Massnahmen. (Auf DEZA-Homepage unter „Evaluationen seit 2010“: Evaluation 30.5.2012, DEZA Ref Nr 2012.68)

Das ist ein deutlicher Wink an die Politik, sich zunächst mehr Einfluss und Mitsprache im zu sichern und sich dabei nicht durch dir nebulöse Diktion der Botschaft daran hindern zu lassen. Er betrifft alle Entscheidungsträger, und jene an den beiden Polen des bedingungslosen „Dafür“ wie des „Dagegen“ ganz besonders, denn diese tragen zur Stagnation besonders bei. Es würde Raum geschaffen zur Entwicklung von Innovationen und Konzepten, die im bisherigen engen Rahmen nicht zum Zug kamen.

Sofortmassnahmen

Besonders dringlich wären mehr Transparenz und mehr Wettbewerb. Politisch könnte dafür der Weg gebahnt werden durch Verknüpfung eines Ja zur Botschaft mit folgenden Zusatzforderungen, etwa per Motion:

  1. Einführung voller Transparenz über Projekte und Tätigkeiten. Die DEZA hat schon 2009 eine internationale Initiative grosser Geber zu einem Standard zur Berichterstattung unterzeichnet, der konkreter ist und bessere Lernerfahrungen ermöglicht als die ältere und unvollständig umgesetzte OECD DAC-Codierung. Der neue Standard ist bekannt ais IATI. Die Einführung macht erhebliche Fortschritte. Fast alle grossen Geber und renommierte internationale NGOs wie Oxfam haben sich schon darauf verpflichtet. Die Schweiz hat auf internationaler Ebene die Einführung auf Oktober 2011 versprochen. Auch Alliance Sud befürwortet die Einführung von IATI. Dennoch bestehen innerhalb der DEZA offenbar starke Widerstande. In der bundesrätlichen Botschaft wird IATI trotz aller Versprechen mit keinem Wort erwähnt.
    Hingegen liegen die Vorteile der durch IATI möglichen Vergleichbarkeit auf der Hand: Noch kaum absehbar sind die sich eröffnenden Perspektiven für verbesserte Wirkungsorientierung: Erfolge und Misserfolge im Feld lassen sich über ganze Sektoren, Regionen, Ländergruppen und darüber hinaus vergleichen und analysieren. Die wäre ein Quantensprung bei der bisher chronisch dürftigen Datenlage zur Wirkungsevaluation, wie er noch nie dagewesen ist.
  2. Mehr Wettbewerb durch stufenweise Öffnung des Marktes für Beratungs- und Durchführungsleistungen im Bereich Entwicklungszusammenarbeit innerhalb der Schweiz. Dieser umfasst jährlich 140 Millionen Franken und beschäftigt einige Hundert Anbieter. Nur ein Dutzend von diesen aber erhalten den grössten Teil davon (2010: 86%), siehe IDEAS-Analyse der Vergabepraxis DEZA 2010.
    Dies führt zu einem wettbewerbsfeindlichen Favoritismus, verbunden mit Innovationsdefiziten und mit den bei fehlendem Wettbewerb zu erwartenden Nachteilen bei den Kosten. Mehr Wettbewerb brächte einen Mehrwert für die Schweiz durch breitere Streuung von Know-how im internationalen (Entwicklungs)umfeld, sowie durch breitere Nutzung des kreativen Potentials (crowdsourcing). Ausschreibungen müssen weit öfter als bisher, Folgeaufträge sollten nur noch in engen Grenzen erfolgen. Bei Vergaben müssten kleine Agenturen und Neulinge die Chance bekommen, sich zu bewähren; bei freihändigen Vergaben müsste ein Zufallsprinzip spielen. Die Zuteilung müsste von den Beziehungen und Interessen der beteiligten Beamten befreit erfolgen.

Mittelfristige Massnahmen

Verbesserte Transparenz und mehr Wettbewerb käme der gesamten Organisationskultur zugute. Sie könnte stark beitragen zu zielorientiertem Handeln, Abbau von Verzettelung und Konzentration auf Wesentliches. Mittelfristig aber könnte die EZA zu einem wichtigen und respektierten Instrument der Schweizer Welt-Aussenpolitik werden. Dies wird einiges an Arbeit erfordern. Der Anstoss könnte aber ab jetzt durch Einbringen entsprechender Postulate mit Eckdaten und Terminen für Etappenziele gegeben werden:

Besinnung auf die Kernkompetenzen

Die betroffenen Bundesämter sollten zurück zu ihren Kernkompetenzen finden oder sich diese erarbeiten unter Mitwirkung ihrer Departemente. Welches diese sind, wäre nicht von den Ämtern selber zu bestimmen, sondern durch Parlament und öffentliche Debatte aufgrund der Zielvorgaben im Entwicklunghshilfegesetz, an die man sich bei dieser Gelegenheit getrost wieder einmal erinnern kann. Vier wünschenswerte Kernkompetenzen gibt es anzuführen:

Diplomatischer Dialog: Zum einen betrifft dies verstärkt diplomatisch-konsularische Aufgaben. Hierhin gehören namentlich Sicherstellung zwischenstaatlicher Kommunikation, Schutzfunktionen für Projekte und „Feldmitarbeiter“, sowie „Policy-Dialog“ zur Erörterung staatlicher Grundleistungen auf ministerieller Ebene, wie sie auch in der genannten Studie angemahnt werden. Solche Funktionen dürften länderspezifisch wünschbar sein in „fragilen Staaten“ und anderen, wo die Schweiz besondere Ziele oder Interessen verfolgt, etwa Partner von Ländergruppen bei IMF und Weltbank. Hier könnten die bisher vorwiegend als ausgelagerte Verwaltungszentren wirkenden Koordinationsbüros der DEZA ihre wesentliche Aufgabe finden, und dies in geringerer Zahl und mit kürzerer Präsenzperspektive als bisher.

WTO-Position: Der zweite, damit verbunden, wäre die Pflege der Schweizer Positionen gegenüber den Bretton Woods- und UN-Institutionen verbunden mit der Verwaltung der entsprechenden Budgets. Auch hier wäre einiges zu tun, die Beziehungsnetze aus den längst gewachsenen verwaltungstechnischen Verflechtungen herauszuheben und zu einem Aufgabenbereich mit politisch klaren Vorgaben zu machen. Diese böten den Rahmen, in dem Höhe und Zweckbestimmung der Geldbeiträge in politischem Prozess erarbeitet würde.

Governance: Dritter Kompetenzbereich wäre die Kooperation von Regierungsstelle zu Regierungsstelle: Unterstützung staatlicher Schlüsselfunktionen wie Rechtspflege, Bildungspolitik, Polizeiwesen, Korruptionsbekämpfung, Governance. Alles begleitet von einem energischeren, auch in der erwähnten Evaluation angemahnten „Policy-Dialog“. Zuständige Bundesämter könnten federführend und durch Eigenerfahrung fundiert, EDA und DEZA ausführend wirken. Bedingung wäre allerdings auch mehr Mut als bisher beim Ansprechen von Problemen.

Verwalten statt herrschen:  Die vierte Kernaufgabe betrifft grundlegende Verwaltungsaufgaben, wie sie eigentlich immer sicherzustellen wären: Koordination und Informationsaustausch mit Akteuren, Controlling, Qualitätssicherung, und Berichterstattung. Der Bereich ist anspruchsvoll, weil es sich um weit divergierende Themen, unterschiedliche geografische Gebiete, und eine grosse Zahl unterschiedlicher Akteure handelt. Politik und Wissenschaft müssten das Ihre beitragen, um die Bundesämter nicht allein zu lassen: Schon die eben jetzt neu veröffentlichte DEZA-Evaluation berichtet, dass die DEZA-Kader mit den vergleichsweise geringen Anforderungen in Bezug auf „fragile Staaten“ schnell überfordert reagierten. Bei tiefgreifenderen Reformen dürfte dies noch stärker der Fall sein, was langfristige Bemühungen erwarten lässt.

11. September: Feuer in den Elfenbeintürmen

Terroristen sind dieser Tage nicht am Werk, keine Menschenleben sind in Gefahr. Doch das Bild drängt sich heute auf: Die selbstgewählten Elfenbeintürme der DEZA und der Entwicklungs-NGOs wackeln bedenklich.

Die Geschäftsprüfungskommission des Ständerates (GPK-S) hat soeben Empfehlungen betreffs Zusammenarbeit mit NGOs besonders an die Adresse der DEZA gerichtet, die es in sich haben, und fordert den Bundesrat auf:

  1. Für die Anwendung wettbewerblicher Vergabeverfahren zu sorgen.
  2. Massnahmen zur Verbesserung der Kontrollmechanismen zu treffen, um das Risiko der Zweckentfremdung der für NGOs gesprochenen Mittel einzuschränken.
  3. Bezüglich der Kriterien bei der Wahl der zu unterstützenden NGO-Programme und vor allem bei der Festlegung der Höhe der Finanzhilfen für mehr Klarheit und Transparenz zu sorgen.
  4. Zu prüfen, inwiefern die gesetzlichen Grundlagen der Entwicklungszusammenarbeit die heutigen Anforderungen … erfüllen.¨
  5. Darauf hinzuwirken, dass die Gesetze und Vorgaben innerhalb eines Tätigkeitsbereichs einheitlich angewendet werden.

Nachdem man uns bei AidRating bisher ausgegrenzt und unsere Seriosität in Zweifel gezogen hat, sehen wir unsere Befunde in wesentlichen Teilen von offizieller Seite bestätigt: Monopole, kartellartige Strukturen, kaum Transparenz.

Die DEZA und die von ihr bevorzugte Zertifizierungsstelle ZEWO, deren Versagen im eigenen Kernbereich offensichtlich wird, schweigen auf ihren Homepages bisher (11.9.09) betreten dazu.

Der Bundesrat sollte bis Februar 10 Stellung nehmen. Wir sind gespannt!

Afro-Pfingsten – an Afrika vorbei?

In der NZZ ist ein beissend-nachdenklich-provokanter Beitrag erschienen zum Afrikabild, das an Afro-Pfingsten transportiert wird.

Der Autor hat da in vielem recht. Bin beeindruckt und fühle mich herausgefordert. Aber die Atmosphäre an Afro-Pfingsten und die Konzerte –besonders am Sonntag- möchte ich dennoch nicht missen. Wenn ich’s mir recht überlege: Ich möchte mehr. Von beidem.

Für meine Emotionen: Die Gerüche, die Musik, die Leute, die entspannt wie selten durch die Gassen schlendern.

Für meinen kritischen Intellekt: Die sarkastischen Fragen zu unserem Afrika-Bild, getrübt durch Klischees und Gönnerhaftigkeit, und zur Selbstverantwortung der Afrikaner.

Jan Stiefel

95% wünschen mehr Transparenz

Umfrage Transparenz EZA

Umfrage Transparenz EZA

Mehr Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit wird von fast allen (95%) der Leserinnen und Lesern unserer Homepage befürwortet. Das ist das wichtigste Ergebnis einer Online-Umfrage, die wir in den vergangenen Monaten aufgeschaltet haben.

Frage: Ist Transparenz bei der Entwicklungszusammenarbeit nötig? ja, ist nötig nein, nicht nötig weiss nicht

Wir hatten drei Fragen, bei denen wir jeweils fragten, ob die jeweilige Forderung sehr wichtig, wichtig, eher unwichtig, oder völlig unwichtig sei.

  1. 74% fanden Transparenz im Geberland (Schweiz) sehr wichtig, 20% fanden das “eher wichtig”.
  2. 84% finden wichtig, mehr zu wissen über Risiken von Entwicklungsprojekten (was kann schiefgehen); 11% finden das ziemlich wichtig.
  3. Auf 88% kam der Anteil derer, die es sehr wichtig finden, mehr über die Wirkung von Projekten zu erfahren. 7% fanden diesen Punkt ziemlich wichtig.

Unwichtig fanden (1) nur 6% der Befragten, (2) und (3) sogar nur 5%.

Interessant war die Aufteilung nach Berufsgruppen: Es gab eine Möglichkeit, die Branche des Arbeitgebers anzugeben:

  • Rund 29% derer, die dies beantworteten, sind Mitarbeitende von Hilfswerken. Sie alle finden mehr Transparenz zu allen Fragen sehr wichtig. Weitere Berufsgruppen:
  • Private Dienstleister 38%
  • Öffentliche Hand und Forschung je 14.5%
  • Rest „übrige Berufe“

Bildungsstand der Beantwortenden:

  • 78.4% Hochschulabschluss
  • 10% Mittelschule
  • je 6% Grund- oder Berufsschulausbildung

Alter:

  • 2% unter 20J
  • 35% 21-40J
  • 49% 41-60J
  • 14% über 61 Jahre

Gesamtzahl Antworten: 55.

Fundraiser: Ist Maulen gegen die Transparenz-Studie schlau?

Nachdem auch die Fundraiser-Branche gegen die Studie gemault hat, liefern wir hier ein paar Klarstellungen:

Die Aidrating-Transparenzstudie wurde in voller Länge am 11.11.2008 vorgestellt (siehe Tages-Anzeiger, Basler Zeitung, Landbote usw).

Auszüge aus der Transparenzstudie und die Methodik können Sie auf aidrating.org nachlesen. Dort ist sie auch bestellbar.

Da können Sie weiter ersehen, dass wir Transparenz aus guten Gründen und als Befürworter wirksamer EZA einfordern. Im Lauf der Arbeit trafen wir auf zusätzliche Seltsamkeiten. Das zeigt: Es ist noch mehr Fleisch am Knochen.

Dass gerade die grossen Hilfswerke wie etwa Helvetas oder Caritas so schlecht abschneiden, ist weder unsere Schuld noch entsprach es unserer Absicht.

Im September 2008 hatte die NZZaS nur Auszüge vorliegen, von denen sie lediglich winzige Fragmente brachte, dafür viel zur eigenen Meinung.

Danach boten wir ausführliches Material der Sonntagszeitung an und der Weltwoche. Letztere reagierte schneller und brachte Auszüge daraus. Die Befunde sind dort nicht gehässig, sondern korrekt zitiert.

Was die Glückskette betrifft, enthält die Studie eine genaue Erläuterung, warum wir sie separat betrachten. Wer es von anderer Seite wissen will, braucht nur deren Homepage anzuklicken. Dann erfahren Sie: Die Glückskette sammelt bezogen auf Kriegs- und Katastrophenereignisse. Spender wissen nicht, wer die Gelder letztlich vor Ort verwendet.

Hilfswerke können bei der Glückskette „Projektgesuche“ einreichen. Wenn gutgeheissen, dann wird ein Vertrag zwischen Glückskette und Hilfswerk abgeschlossen. Sie sehen: Die Glückskette vergibt die Projekte nach eigenen Regeln und Verfahren.

Wir haben viel Zustimmung bekommen, besonders von Vergabeorganisationen, Forschungsstellen, und bemerkenswerter Weise auch von Hilfswerksmitarbeitenden. Diese tun dies allerdings lieber anonym, unter anderem in unserer Umfrage.

PS: Fundraiser, die für Hilfswerke wie etwa Helvetas, Caritas, HEKS arbeiten, könnten sich vielleicht auch überlegen, wie man Befunde wie die der Transparenzstudie für einen verbesserten Auftritt nutzbar machen könnte anstatt in den Chor der voreiligen Diffamierungen einzustimmen. Artikel dazu im Fundraising-Journal.

Jan Stiefel

Entwicklungszusammenarbeit und Transparenz

Eine sachlich fundierte öffentliche Erörterung konkreter Tätigkeiten in der Entwicklungszusammenarbeit ist dringend notwendig. Dies sollte helfen, das Richtige zu fördern und das Unwirksame zu vermeiden. Wir von aidrating.org arbeiten in diesem Sinn. Dabei fangen wir bei unseren Schweizer Hilfswerken an.

Um einen qualifizierten Diskurs zu führen, muss ein ausreichender Grundstock an Wissen bei allen Beteiligten darüber verbreitet sein, was für Tätigkeiten darunter zu verstehen sind, und wie diese Tätigkeiten im wirklichen Leben aussehen.

Dies ist nur möglich, wenn ein ungehinderter Zugang zu den wesentlichen Informationen über diese Tätigkeiten gegeben ist. Dieser Zugang ist für uns gleichbedeutend mit Transparenz über Entwicklungszusammenarbeit (EZA).

Da wir eine solche als Grundvoraussetzung ansehen, um einen qualifizierten Diskurs in der Öffentlichkeit überhaupt führen zu können, ist unser erstes Ziel: Förderung der EZA-Transparenz.

Wenn mehr Transparenz da ist, kann auch besser beurteilt werden, wer gute Arbeit leistet. Es reicht nicht, Gutes zu wollen. Man muss das Gute auch gut tun.

Dazu haben wir ein zweites Ziel: Anreize schaffen. Für die Zivilgesellschaft heisst das: Kompetenz entwickeln durch neue Einsichten. Für die Entwicklungsbranche: Anreiz durch positive Beachtung dessen, was Ergebnisse bringt.

Die von IDEAS für EZA vorgeschlagene Definition von Transparenz findet sich hier, von ihr ist in diesem Aufsatz die Rede:

Transparenz in der Entwicklungszusammenarbeit bedeutet Verfügbarkeit aller Angaben, die es Aussenstehenden ermöglichen, Ziele, Mittelverwendung, Arbeitsweise, Orte und direkte Auswirkungen der Tätigkeiten von (Hilfswerken) mit hinreichender Verlässlichkeit einzuschätzen.

Als hinreichend gelten dabei Angaben, welche für den Sachverhalt
a) gleichzeitig relevant und konkret,
b) für die Gesamtschau repräsentativ, und
c) auf eine Weise dargelegt sind, die sie mit ähnlichen Aktionen vergleichbar macht.

Es geht darum, zu ermitteln, wie viel wir eigentlich erfahren über EZA-Tätigkeiten. Angepasst an die Bedingungen der EZA hat AidRating einen Raster entwickelt, mit dem diese erfasst und verglichen werden können.

Wir haben 2008 die grösseren Hilfswerke (HW) angeschaut und untersuchten:

1. Was ist zu erfahren über Grösse und (finanzielle) Abhängigkeiten der Hilfswerke (HW) sowie über allgemeine Aspekte wie Verantwortlichkeiten, Struktur u.ä?

Zu diesem Punkt hat sich gezeigt, dass alle grösseren Hilfswerke ausführliche Grundsatzerklärungen präsentieren, und über ihre Organisationsverantwortlichkeiten und die Buchhaltung allesamt etwa gleich detailliert berichten. Wir betrachteten weiter:

2. Was ist spezifisch zu erfahren über die konkrete Tätigkeit der HW vor Ort, also ihre Aktionen, Projekte, Programme?

Hierzu haben wir unter Nutzung unserer Erfahrung in Entwicklungsprojekten eine konkrete Fragenliste entwickelt, die sich auf jede Intervention (d.h. auf jedes Entwicklungs-Projekt oder Programm) anwenden lässt. Wir geben sie hier wieder:

Frageliste zu konkreter Arbeit in Projekten/Programmen (Fragestellung und konkrete Erläuterung [was wollen wir wissen])

  1. Was ist über das Projektumfeld zu erfahren?
    Wie ist die soziale, ökonomische bzw. (öko)geografische Ausgangslage? Wo findet das Projekt statt?
  2. Wer/ welche Personenkreise profitieren vom Projekt, und in welcher Weise?
    Was erfahre ich über die Zielgruppe(n), bzw. was soll anders oder besser für diese werden?
  3. Was will das Projekt erreichen? Sind eine (oder die wichtigsten) Zielsetzung(en) klar erkennbar?
    „Ziel“ ist ein Zustand, der erreicht werden soll. Dieser sollte möglichst konkret beschrieben sein. Bsp: Einkommen verbessert durch… u.ä.
  4. Wer (Organisation, Personal) führt das Projekt/Programm vor Ort?
    Wer ist operativ wofür verantwortlich? Wer macht konkret was vor Ort? Wer führt?
  5. Was konkret sind die wichtigsten Projekthilfsmittel und –aktivitäten, um Ziel(e) 3 zu erreichen?
    Was wird für die Zielerreichung konkret getan, erstellt, übergeben? Mit welchen Hilfsmitteln, Ausrüstung?
  6. Sind Risiken/ unerwünschte Nebenwirkungen und/oder Missbrauch denkbar? Sind diese verunmöglicht oder ausreichend unter Kontrolle?
    Erfahre ich etwas über projektbedrohende Risiken (z.B. Einflussnahme durch Dritte, Korruption, Ressourcen­verschwendung) und evtl. Gegenmassnahmen (risk management)?
  7. Wann hat das vorliegende Projekt begonnen, und wie lange soll die Aktion dauern?
    Konkrete Daten: Beginn, wievielte Phase, wann Ende usw.
  8. Wie wird die Projektwirkung von den Zuständigen festgestellt oder gemessen?
    Abschätzung oder Nachweis der Wirkung, siehe Ziel. Vorkehrungen dazu? =Wirkungsprüfung?
  9. Hält die Verbesserung an, nachdem das Projekt zuende ist? Für wie lange?
    Was wird zu Vorkehrungen dazu gesagt, dass die Projektwirkung nach Weggang nicht verloren geht, Nachhaltigkeit?
  10. Was kostet dieses Projekt/Programm insgesamt von Beginn bis Ende? Pro Jahr?
    Kosten für Material, Ausrüstung, Personal, Betrieb, technische Beratung, Leitung vor Ort insgesamt.

Diese Fragenliste bildet ein Grundgerüst, mit dem wir einschätzen können, wie viel relevante und konkrete Information uns über ein Projekt geboten wird. Die Beantwortung lässt sich nach Punkten bewerten von 0 bis 4, wobei bedeutet:

  • 0 = gar nicht beantwortet
  • 1 ein wenig
  • 2 = halb
  • 3 = ziemlich gut, und
  • 4 = vollständig beantwortet.

Zuletzt gab es eine Einschätzung, wie gut die Projektarbeit der Hilfswerke repräsentiert ist. Die Frage lautet:

3. Ist die Tätigkeit vollständig repräsentiert? Anders gesagt: Sind alle Projekte der Organisation beschrieben, oder nur ein Teil davon?

Dazu muss man 2 Dinge wissen (hat sich als gar nicht leicht erwiesen):

  1. Wieviele Projekte/Programme laufen überhaupt?
  2. Für wie viele davon sind Infos erhältlich?

(2) lässt sich als Anteil von (1) in Prozent ausdrücken. Wenn alle Projekte beschrieben sind, gäbe es eine Wertung von 100%, die Hälfte 50%, usw.

Ergebnisse

Die Transparenz aller 10 betrachteten Hilfswerke ist weit geringer als erwartet. Die Realität: Der Transparenzdurchschnitt beträgt schwache 36.57%! Wir fanden, mindestens ein Wert von 50% müsste sich ergeben, oder mehr. Besonders wenig erfährt man über Risiken, Dauer, Kosten, und Wirkung. Nur 4 von 10 Hilfswerken berichten über alle ihre Projekte!

Weiteres auf aidrating.org oder später auf diesem Blog!