Häufige Irrtümer zur Entwicklungszusammenarbeit

und zum Spenden dafür

Es folgt eine kleine Zusammenstellung häufiger Irrtümer in der IZA-Debatte. Die folgenden Kommentare  können namentlich in der Sammelsaison hilfreich sein.

Häufigkeit der irrigen Aussage: *** sehr häufig; ** häufig; * gelegentlich so oder ähnlich zu hören.

Wer möchte, kann sich diese Angaben auch als pdf herunterladen: Spendenbrevier 2013!

Aussage, Irrtum Häufigkeit Kommentar
„Jeder Rappen zählt“ (eigentlich gleichbedeutend mit „hin und wieder ein Spenden­rummel ist eine gute Sache“)Auch:„IZA muss durch gelegentliche Spenden finanziert werden können“ ***

Es braucht Geld, das ist richtig. Aber ein einzigesmal im Jahr? Und dann soll plötzlich „jeder Rappen“ zählen? So redet jemand, der von der Sache keine Ahnung hat. Viel eher geht es um Rummel, nicht um echtes Engagement.

Kurzzeitige Spendenaktionen taugen in Katastrophen- und plötzlichen Notsituationen. Längerfristig angelegte IZA braucht auch längerfristig gesicherte Finanzen. Gute Lösungen brauchen meist viel Mühe und langfristiges Engagement vor Ort. Die Überschriften der JRZ-Aktionen (Vorjahr: Wasserversorgung, jetzt „Kinder in Slums“) sind gerade auch deshalb besonders ungeeignet.

Ohne echte Auseinandersetzung mit den Menschen und der Problematik, die zu lösen ist, wird auch in bester Absicht gespendetes Geld nutzlos. Wer sorgt nach dem Rummel dafür, dass mit dem Geld nicht verfehlte Investitionen, langfristig überteuerte Strukturen, und Korruption gefördert werden? Und wie?

Gelegentliche Spendenaktionen wie jene von „Jeder Rappen zählt“ nähren auf Geberseite eine Mentalität des sich Freikaufens vor weiterer Verantwortung. Schlimmer noch- die wahre Motivation ist womög­lich nur, dann im Radio oder TV auftreten zu können.

JRZ konkurrenziert im übrigen die Sammeltätigkeit kleinerer Hilfswerke. Siehe auch Unterscheidung „humanitär“ und „IZA“.

Alles Geld, (meine Spende) muss zu 100% an meine „Zielguppe“ gelangen ***

Es wäre blanke Gedankenlosigkeit, zu glauben, man könne Geld von hier 1:1 an einen Ort schicken, wo Not herrscht, ohne dass jemand es hier in geeignete Güter verwandelt, diese an den Ort des Geschehens schickt, am anderen Ende diese in Empfang nimmt, sich um richtige Verteilung kümmert, usw.

Es wird also Arbeit geleistet. Dies kann auf Dauer niemals ausschliesslich auf kostenloser Basis geschehen. Auch die idealistischsten Helfer müssen von etwas leben. Wenn also ein Betrag „zu 100%“ irgendwo hingeht, dann werden die sonstigen Kosten, die mit Sicherheit anfallen, mehr oder weniger versteckt aus anderen Quellen getragen.

Transparenz über den ganzen Ablauf hin und vor allem über erreichte Ergebnisse gegenüber einer aufmerksamen Öffentlichkeit ist weitaus wichtiger und hilft am besten, Effizienz zu fördern.

Es darf möglichst keine Administrations­kosten geben ***

Eine ebenso oft gehörte wie unsinnige Forderung, die leider auch von vielen Hilfswerken und der ZEWO gepflegt wird: Zu den Administrationskosten gehören Spenden- und Spenderbetreuung, Offertstellen, Buchhaltung, Betreuung von Berichterstattung und Publikationen, allgemeine Dienste, und auch Weiterbildung. All diese Tätigkeiten sind notwendig, wenn professionelle Arbeit erwartet wird.

Wir sagen dazu vor allem eines mit aller Deutlichkeit: Wichtig ist nicht ein möglichst geringer Prozentsatz an diesen oder jenen Kosten, sondern wichtig sind die Ergebnisse im Vergleich zum Gesamtaufwand. Wir möchten daran erinnern: Genau über Ergebnisse erfährt man bei grossen Schweizer Hilfsagenturen noch immer viel zu wenig!

Übrigens: Es stehen reichlich Mittel zur Verfügung, um die Position „Administrationskosten“ durch buchhalterische Mittel tief erscheinen zu lassen.

Die ZEWO sorgt dafür, dass alles mit rechten Dingen läuft ***

Die ZEWO zertifiziert für teures Geld Hilfswerke aller Art. Betrachtet werden die Buchhaltung und ein paar Elemente des Organigramms. Die eigentliche Arbeit im Fall der IZA, nämlich Qualität der Projekte vor Ort, spielt gar keine Rolle.
Der starre Rahmen passt allenfalls für einfache Projekte hier in der Schweiz, wie etwa Heime oder Suppenküchen. Sicherheit, dass vor Ort gute Arbeit geleistet wird, bietet das ZEWO-Siegel nicht.

Alles, was als „Projektkosten“ deklariert ist, geht in den Süden **

Es gibt auch bei „strenger“ Zertifizierung (z.B. ZEWO) eine Menge Möglichkeiten, Kosten auf Projekte abzuwälzen, die sonst anderswo verbucht werden müssten. Darunter auch viele Leistungen, die hierzulande erbracht werden und die Schweiz gar nie verlassen. Beispiele sind unterstützende Beratungen, Druck­kosten für Infomaterial, Porto- Transport- Kopierspesen, Stundenverrechnung von hier sitzenden Sachbearbeitenden, u.v.m.

Eher gilt: Transparenz ist eines der besten Mittel, die wahren Kostenträger zu ermitteln.

Humanitäre und Entwicklungs­hilfe sind dasselbe ***

Ein ebenso häufiger wie grundlegender Irrtum.

Humanitäre Hilfe muss schnell und massiv eintreffen im Fall von Naturkatastrophen und Kriegszerstörung. Sammelaktionen sind ein geeignetes Mittel, sofern die Gelder dann zielgerichtet und transparent eingesetzt werden. Bei solchen Katasptrophen gibt es schnell dramatische Bilder und Berichte, die die Sammeltätigkeit erleichtern können.

Entwicklungshilfe ist langfristig angelegte Arbeit, um bessere Rahmen­bedin­gungen für den Alltag betroffener Bevölkerungsgruppen zu schaffen. Dies kann soziale, marktbezogene, rechtliche, ökologische und andere Rahmen­bedingun­gen betreffen, meist ein Gemisch davon. Auch unsere Handelsbeziehungen mit armen Ländern spielen eine Rolle. Das Erkennen der Ursachen von Ungleichheit und Perspektivlosigkeit ist schwierig, die Arbeit ist wenig spektakulär und dauert lange.

Entwicklungsarbeit muss langfristig gesichert sein, auch finanziell, sonst lassen sich Ziele und Verpflichtungen nicht planen.

Einmaliges Spenden bringt hier wenig. Nötig sind gesicherte mehrjährige Budgets. Dazu braucht es grosse Reserven oder regelmässig wiederkehrende „Spenden-Abonnemente“, üblicherweise „Patenschaften“ genannt. Die selektive Ablehnung von Patenschaften unter anderem durch die ZEWO ist kontraproduktiv.

Man kann EZA den Profis überlassen. Die wissen, was zu tun ist **

IZA bedeutet nicht simples Lösen technischer, wirtschaftlicher oder organisatorischer Probleme. Es ist immer ein Eingrif in komplexe Zusammenhänge auch sozialer, kultureller, mentalitästsmässiger Art. Bei Eingriffen ist immer auch Machtaus­übung dabei. Etwa durch Geld. Und zuviel Macht macht rücksichtslos.

Es ist noch nie gut herausgekommen, wenn man geglaubt hat, vermeintliche „Experten“ könnten komplexe Probleme und die Folgen ihres Handelns ohne ständige Begleitung durch die Öffentlichkeit lösen. Es braucht kritische Begleitung. Anderswo hat man dafür den Begriff „checks and balances“ geschaffen.

Professionelle Fähigkeiten sind sicher angebracht. Aber mindestens ebenso wichtig sind Rücksicht auf die Menschen vor Ort und ihre Befindlichkeit. Also „Empathie“.

IZA ist immer etwas Gutes **

Entwicklungszusammenarbeit soll Benachteiligung, Not und Hunger bekämpfen. Es besteht ein breiter Konsens darüber, dass dies wie verbesserte Chancengleichheit bei Bildung, Arbeit und Ressourcennutzung gesellschaftlich Sinn macht. IZA, die dies erreicht, ist eine gute Sache.

Dennoch gilt, wie bei jeder Arbeit: Man kann sie gut planen und durchführen, oder auch nicht. Schlecht geplante und durchgeführte Entwicklungshilfe kann den Menschen vor Ort ebenso schaden wie jede andere schlecht ausgeführte Arbeit. Zum Beispiel, wenn in einer Gesellschaft durch technische Neuerungen Freiräume verlorengehen oder mit ihnen neue Ungleichheiten entstehen. Auch indem teure Ausrüstung aufgedrängt wird, deren Unterhalt danach nicht gesichert werden kann, und die vielleicht auch noch Arbeitsplätze vernichtet.

IZA bringt nichts, ist völlig überflüssig ***

Damit sagt man im Grunde, dass es richtig ist, bei Aussenbeziehungen einzig den eigenen Vorteil im Auge zu haben. Und verkennt damit die weltweite Verflechtung, der auch wir uns nicht entziehen können. Wir können längst nicht mehr leben ohne die Waren und Dienstleistungen, die wir weltweit beziehen, und auch nicht ohne unsere Exporte.

Desinteresse an Schwierigkeiten und Elend anderer zeugt von Hartherzigkeit und schadet uns selber im Innersten. Davon abgesehen hat zu gelten: Schon aus vorausschauender Klugheit müssten wir ein Interesse an weltweit stabilen Verhältnisse haben.

Diese sind nur zu erreichen, wenn es keine eklatanten Wohlstands­unterschiede mehr gibt und alle ausreichend Möglichkeiten haben, ihre Interessen zu vetreten und zumindest ihre Grundbedürfnisse aus eigener Kraft zu erfüllen.

IZA kritisieren ist unmoralisch(falsch, verboten, usw) **

Die Aussage ist doppelt falsch. Weder Kritisieren für sich ist unrecht, noch ist es so, dass IZA etwas Heiliges ist, das über jeder Kritik steht.

Alles, was von Menschen gemacht und für Menschen von Bedeutung ist, muss auch kritisch hinterfragt werden können. Man sollte eher sagen: Um gut zu bleiben und besser zu werden, braucht IZA mehr und fundiertere Kritik.

Transparenz kann helfen, verfehlte Kritik richtigzustellen oder sie gar nicht erst aufkommen zu lassen.

Wenn eine Regierung nicht „spurt“, dann soll man ihr die Entwicklungs­hilfe streichen ***

IZA soll in erster Linie nicht Regierungen dienen, sondern der Bevölkerung. Regierungsstellen können dabei Partner sein, zwingend ist das aber nicht. Wenn in einem Projekt vor allem „die Regierung“ oder ihre Günstlinge profitieren, dann ist es auch keine IZA, sondern politisch motivierte Interessenvertretung. Das DEZA-Budget sollte für dergleichen nicht missbraucht werden..

Darum: Wer sinnvolle Projekte nicht mehr finanziert, um eine Regierung zu strafen, schadet am ehesten der notleidenden Bevölkerung.

Anders liegt die Sache, wenn man für die Arbeit an einem Regierungs­apparat nicht vorbeikommt und als Folge zuviel oder alles in korrupten Kanälen versickert. Dies betrifft namentlich IZA durch Finanzhilfe und Investitionen in Infrastruktur (Strassen, Energie, Wasser, usw). In diesem Fall wären Kürzungen oder Überwachung denkbar. Solche Projekte sollten unseres Erachtens nicht zur IZA gezählt werden, sondern zu den allgemeinen Projekten, mit denen die Schweiz ihre Beziehungen zu anderen Ländern ausbaut. Letztlich sollte nicht vergessen werden: Korruption gibt es nicht nur in Entwicklungsländern.

Und allgemein gilt: Transparenz ist eines der besten Mittel gegen Korruption und Fehlleistungen, auf allen Ebenen.

DEZA und Hilfs­werke würden es uns sicher sagen, wenn ihre Arbeit nicht wirksam wäre. *

IZA hat sich in den vergangenen Jahrzehnten zu einer Milliardenbranche entwickelt mit eigenen Strukturen, Bürokratien und Karrieren. All dies kostet Geld. Dieses Geld fliesst nur, wenn Spendende und Geber bei der Stange bleiben. Darum ist es verständlich, dass die Branche versucht ist, Erfolge gross darzustellen und Auswüchse und Mängel möglichst zu verschweigen.

Es braucht auch die andere Seite: Eine kritische Offentlichkeit und Spender, für die es mit dem Abliefern ihres Batzens nicht getan ist. Anders gesagt: Es braucht Leute, die es wirklich interessiert, was der Nutzen ihrer Spende vor Ort ist.

Kritisches Nachfragen hilft guter Arbeit im Feld. Einfordern von Transparenz ist ein wichtiger Weg dahin. Kritisches Nachfragen und echtes Interesse sind übrigens die besten Mittel, reine Werbeaussagen zu durchschauen.

(Von Gegnern aller Couleur): Die sind selber schuld, wenn es ihnen schlecht geht. ***

So redet man, wenn man nie im Leben richtig mit Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Viele in der Schweiz sind seit vielen Jahrzehnten privilegiert in dieser Hinsicht und beginnen zu glauben, das sei eine Selbstverständlichkeit. Ob das so bleibt, weiss niemand.

Unser Schicksal ist verknüpft mit dem derjenigen, denen es schlecht geht. Umweltschäden, Sklaven- und Kinderabeit, Verarmung, das hat auch mit der Art zu tun, wie wir konsumieren, wie unsere Exporte begünstigt und Importe beschränkt werden, und wie sich unsere Banken und grossen Unternehmen im Ausland benehmen.

Man sollte nicht immer Ergebnisse fordern (auch: Ergebnisse kann man nicht messen) **

Oft angeführte Ausreden von Hilfswerken und DEZA.

Worum soll es sonst gehen, wenn nicht um Ergebnisse? Konkrete Ergebnisse kann man messen und auch ehrlich und sinnvoll kommunizieren. Nicht in vagen Meldungen, sondern durch konkrete Sachaussagen. Für nicht Messbares kann man zumindest Einschätzungen zum Nutzen der Intervention machen. Inzwischen reicht das nicht mehr, und wir sagen aus Erfahrung: Die Arbeit, die bisher geleistet wurde, ist nicht gut genug.

Das stärkste Mittel, damit mehr getan wird, ist Nachfragen. IFragen Sie Ihr Hilfswerk: Was haben Sie erreicht, und wie? Was haben die Ergebnisse gekostet? Wo wollen Sie besser werden? Was tun Sie, um besser zu werden?

IDEAS AidRating arbeitet seit 1994 für bessere Transparenz in der Entwicklungszusammen­arbeit. Seit 2008 erscheint jährlich unsere „Transparenz-Rangliste“ der 10 grössten Hilfswerke sowie der DEZA.

Wir arbeiten ohne Gewinnorientierung und unentgeltlich. Auch wir selber können Spenden gut gebrauchen. Weiteres über uns finden Sie auf unserer Homepage www.aidrating.net!

Wenn Sie womöglich an uns denken möchten, dann bitte über:

oder Spendenkonto:
IDEAS AidRating Konto 90-18333-7 CH-8401 Winterthur
IBAN CH 75 0900 0000 9001 8333 7

IDEAS hat gemeinnützigen Status. Ihre Spende ist steuerlich absetzbar.

1 Antwort
  1. Richard Scholl
    Richard Scholl says:

    Entwicklungshilfe – Leistungsausweis.
    ich habe mir mal alle DEZA Schriften der letzten Jahre zu Gemüte geführt. Darin steht viel über Internes, Absichtserklärungen, Projekte sonder Zahl,Tätigkeiten anderer Organisationen, Konferenzen, Geldausgeben. Sehr viel Selbstlob, denn die DEZA Leute meinen, Steuergelder ausgeben sei schon Hilfe und hätte den Empfängern Nutzen gebracht. Allein, den konkreten messbaren Nutzen findet man kaum. Tatsache ist, dass in den Ländern der DEZA Aktivitäten in den letzten Jahrzehnten die Zahl der Armen zugenommen hat, klar messbar.

    Antworten

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