KVI: Weltverbesserung per Strafbefehl

Ein Kommentar zur Unternehmensverantwortungs-Initiative

Sarah Palin, nicht eben für komplexe Denk­ansätze bekannte einstige US-Vizepräsidenten-Kandidatin, wurde einmal gefragt, was sie denn über Russland wisse. Sie soll geantwortet haben: Man sehe dessen Küste von Alaska aus, also kenne sie es.

Ähnlich einfaches Denken scheint der aktuellen Unternehmensverantwortungs-Initiative zugrundezuliegen: Man meint, aus der satten Schweiz heraus Zusammenhänge in weit entfernten Ländern gut genug zu verstehen, um zu tun, was man in der Schweiz gerne tut: darüber zu richten. Kein Wunder, geht in der heftigen Debatte vieles unter. Als Beispiele folgende sonst wenig angesprochene Punkte und ein allgemeiner Gedanke:

Zum ersten: Der Initiative fehlt es an logischer Stringenz. Wenn man sich damit vielleicht abfinden muss, dass Misstände in der Ferne vor Schweizer Gerichten verhandelt werden sollen: Warum sollen dann nur gerade (bestimmte) Privatunternehmen in die Pflicht genommen werden, und nicht gleich alle juristischen Personen, die im Ausland tätig sind und in ihrer dortigen Tätigkeit auf vielfältige, oft kaum verstandene Weise Auswirkungen auf Menschenrechte und Umwelt haben, inklusive sogenannt „potentielle“?
Wenn schon, dann wären beispielsweise auch solche der Bau- Reise- oder Tourismusbranche, oder gar Entwicklungsorganisationen mit ihren oft umfangreichen Projekten gerade in besonders armen Ländern einzubeziehen. Fast scheint es, die federführenden Hilfswerke hätten eine Gelegenheit verpasst, auf die sie eigentlich erpicht sein müssten: Nämlich die eigene Sorgfalt und die positiven Auswirkungen ihres Tuns nun nach Verfassungsvorgaben ins rechte Licht rücken zu dürfen. Wie gesagt wurde: Wer anständig wirtschaftet, hat nichts zu befürchten.
Kurz: Ein umfassender Einbezug nicht nur der „üblichen Verdächtigen“, sondern aller betroffenen Kreise wäre konsequent. Fraglich wäre allerdings, ob dann noch viel Zustimmung übrig bliebe.

Zum Zweiten: Kaum je Debattenthema war, dass in jedem Fall „sämtliche Geschäftsbeziehungen“ einer „angemessenen Sorgfaltspflicht“ im Sinn der Initiative zu unterziehen sind. Zu solchen gehören viele Importketten des breiten täglichen Bedarfes. Nur einige mögen beispielhaft genannt sein, um die Problematik anzudeuten, die nach der Annahme der Initiative dann gelöst werden müsste: Wären dann etwa die Tausende km2 Urwald, die für Weiden oder Futtermittel zur Befriedigung unseres Fleischbedarfs oder für Ölpalmenplantagen abgefackelt werden samt Vertreibungen von Indigenen und Kleinbauern usw. gemäss Initiativtext als „geringe Risiken“ einzustufen? Ebensolches gilt für Rohstoffe, von denen es neben den stets erwähnten Seltenen Erden viele gibt: Edelhölzer, Textilien, cash crops wie eine ganze Reihe von mehr oder weniger exotischen Gemüsen und Früchten, durch deren Export Landwirtschaftsflächen in den Ursprungsländern knapp und Preise für die lokale Bevölkerung ins Unbezahlbare gesteigert werden. Wie steht es um die Hochsee-Überfischung, wie um die zahllosen Fisch- und Garnelenzuchten, die weltweit daran sind, Oekosysteme wie etwa Mangrovenwälder zu verdrängen?

Alles harmlos, oder hat einfach keiner daran gedacht? Hand aufs Herz: Es wären nicht nur ein paar «Konzerne» betroffen. Wenn konsequent umgesetzt, hätte das mächtig Auswirkungen auch auf Geldbeutel und gewohnten Konsum jedes einzelnen von uns hier in der Schweiz! Um im Bild zu bleiben: Man stelle sich etwa die jeweiligen „Sorgfaltsprüfungen“ allein etwa von Grossimporteuren wie Coop oder Migros vor, die gemäss Initiative eigentlich fällig wären..

Zuletzt ein persönlicher Gedanke: In einer Verfassung erwarte ich Aussagen, welche die wichtigsten Grundregeln eines Themas oder einer Problematik in ausreichend allgemeiner und damit allgemeingültiger Weise ausdrücken, um nicht nur im politischen Tagesgeschäft, sondern auch noch in Jahrzehnten nach uns Bestand zu haben. So ist unsere Verfassung in weiten Teilen gehalten. Dieser Text aber reiht sich ein in Einschübe aus den letzten Jahren, deren Herkunft aus der Tagespolitik nur zu sehr daran erkennbar ist, dass Wünsche oder Vorbehalte einzelner politischer Akteure eher am Rand des politischen Spektrums deutlich im Vordergrund stehen. Zu diesen gehören namentlich die auf Ausländer zielenden Ausschaffungs- und Begrenzungsartikel samt Durchsetzungsversuch (Verfassung Art. 121 und 121a). Sie kamen bisher von rechts. Nun scheint man anderswo auf den Geschmack gekommen zu sein, dem einen weiteren, ebenfalls partikularem Zeitgeist und der Suche nach Sündenböcken verpflichteten Fremdkörper folgen zu lassen.

Respekt für Menschenrechte und Umwelt ist ehrbar. Die Initiative jedoch erzeugt mehr Fragen und Unsicherheiten als sie zu lösen verspricht. Der Initiativtext wirkt pharisäerhaft, denn er stellt selektiv unter Verdacht und belegt gerade in seiner Länge und in seinen ungelenken Definitionsversuchen eines: Er ist nicht gut durchdacht und damit nicht würdig, Teil der Verfassung zu werden.

Jan Stiefel, 16. Nov 2020

Schweizer IZA am Scheideweg

Im neuen Plan soll Lateinamerika weggelassen werden. Geht es uns nichts mehr an? Bild: Hafenstadt Buenaventura, Kolumbien.

Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen.

Der folgende Text ist heute am 28. Juni 2019 leicht gekürzt als Gastkommentar in der NZZ erschienen. Wir erwogen kurz, ihn mit dem Titel „Bad Governance bei der Schweizer IZA“ zu überschreiben, was in unseren Augen eine gute Zusammenfassung der Zustände wäre.. Wir entschieden uns dagegen, weil uns die Perspektive, eine Verbreiterung des IZA-Gedankens unter NGOs und in der Öffentlichkeit anzustreben, wichtiger erschien.

Wir würden uns eine rege Debatte und selbstverständlich auch Kommentare hier wünschen. Gerne hätten wir Rückmeldungen von NGOs, die am Entstehen einer möglicherweise gemeinsamen Stellungnahme zur Vernehmlassung interessiert sind:

Am 2. Mai hat der Bundesrat den Bundesbeschluss zum Vierjahresplan 2021-24 zur Entwicklungszusammenarbeit (IZA) in die Vernehmlassung geschickt. 40 Jahre lang war das eine Routineangelegenheit. Auch der Etat ist stetig angewachsen, auf inzwischen rund 3 Milliarden/Jahr.

Warum nun eine Vernehmlassung? Wurden die bisherigen Anträge nicht jahrzehntelang im Parlament abgenickt, weil Ziele und geleistete Arbeit für alternativlos richtig galten?

Erstmals seit 1976 sollen sich nun breite „interessierte Kreise“ äussern können. Nicht mehr einzig die „üblichen Verdächtigen“. Hintergrund kann nur ein Unbehagen sein, sodass endlich jemand mehr wissen will. Wird wirklich das Bestmögliche getan? Die Frage ist nur zu berechtigt, angesichts der Weltlage und bisheriger Erfahrungen ist es höchste Zeit, die Routine zu durchbrechen. Wie weiter mit der Schweizer Entwicklungszusammenarbeit?

Die vorgestellten Thesen werden noch zu reden geben. Hoffentlich äussern sich viele, die das Thema kennen, aber nie gefragt wurden. Dazu zählen namentlich die vielen kleinen Hilfswerke, die bis jetzt ohne öffentliche Hilfe tätig waren. Die Frist läuft bis 23. August. Man sollte sie nutzen, denn dass nach 43 Jahren erstmals eine öffentliche Debatte zu Inhalten und Vorgehen in der IZA gewagt wird, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Nur: das Problem besteht im System selber. Nicht im EZA-Gesetz von 1976. Es ist kurz und hält in Grundzügen fest, was noch heute gelten darf.

Die Verordnung zum Entwicklungshilfegesetz hat ein Königreich geschaffen

Der Fehler liegt in der bundesrätlichen Verordnung von 1977 dazu. Sie bestimmt gleich im ersten Artikel, welche Bundesämter zuständig sein sollen, samt breitesten Kompetenzen. Dies ist in erster Linie die damals neu zu gründende heutige DEZA. Staatspolitisch naiv, weil ohne wirksame checks und balances, aber bei wenigen Millionen jährlich vielleicht verständlich.
Was wurde daraus? Fazit nach 40 Jahren: Mit der Vervielfachung des Budgets und daraus folgenden Verflechtungen hat sich dieses obrigkeitsgläubige Konzept nicht nur überlebt, sondern in einer Weise pervertiert, wie man es sonst nur aus autoritären Staatsgebilden kennt: Ein abgeschottet unnahbarer Apparat ist entstanden. Er kontrolliert die gesamte IZA-Tätigkeit und die Finanzen dazu. Mit Blick auf den Kranz der davon abhängigen NGOs und Institutionen sieht das demokratisch aus, aber nur ganz Wenige haben die Kontrolle: Die „Behörde“ bestimmt nach Gutdünken, wer Aufträge erhält und wer nicht, welche NGOs und Institute Beiträge bekommen, und immer: wieviel an Geldern wo zugeteilt wird. Alles unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Wer nicht spurt, bekommt nichts. Fokus sind nicht Länder in Not, sondern Interessengruppen in der Schweiz: Wo es passt, werden scheinbar eigenständige NGOs gegründet, etwa zum Zweck der Geldverteilung in ausgewählten Regionen. Andere werden still und leise fusioniert, wenn sie trotz Bundesmillionen nicht zurechtkommen. Man setzt die eigenen Leute auf Positionen in internationalen Organisationen wie OECD, Weltbank, usw. und nimmt Einfluss auf die Bestallung zahlloser Forschungs- und Lehrpositionen. Wen wundert, dass all die Beglückten stets das Loblied der Schweizer IZA singen? Anderes hätte unverzüglich Streichung von Geldern oder das Ende der Karriere zur Folge. Trotz feudaler Strukturen hat es die DEZA fertiggebracht, in der Schweiz als Inbegriff guter IZA schlechthin zu erscheinen.

Die jetzt vermeintlich neuen Ziele werden nichts ändern. Der Staat im Staate bleibt. Und dies in der zutiefst demokratischen Schweiz? Anderswo gelten dergleichen Zustände als typisch für „Bad Governance“. Sind zu viele für die Missstände blind, weil sie immer noch an den Mythos der „humanitären Schweiz“ glauben wollen?

Die gute Nachricht ist: Der Bundesrat könnte die Verordnung in Eigenregie jederzeit so ändern, dass ein brauchbares Konzept daraus würde. Ein solches sollte sachgerechtere Rahmenbedingungen schaffen zum Vollzug des Gesetzes: Niedrigere Hürden zur Beteiligung breiterer Kreise, Gewaltenteilung und wesentlich mehr Transparenz. Ämter wie die bisher fast alles bestimmende DEZA bekämen klare Aufgaben: Verwaltungstechnische Betreuung und Koordination.

Wir brauchen IZA. Unseretwegen

Internationale Zusammenarbeit ist nicht ein banales Routinegeschäft wie viele, das an eine Verwaltungseinheit ausgelagert und dann vergessen werden kann. Sie ist, mindestens so sehr wie die Lösung der Klimaproblematik und weiterer grosser Herausforderungen, eine gesellschaftliche Aufgabe, die uns alle angeht, denn sie ist mit allem anderen verbunden. Dabei hilft, vielfache Beziehungen zu anderen Ländern und ihren Menschen zu pflegen. Es täte unserem politischen Diskurs dringend gut, wenn mehr Menschen hier die Wechselwirkungen mit dem Leben Ungezählter in anderen Erdteilen besser verstehen könnten. Und was kann solches Verständnis mehr fördern, wenn nicht konkrete Auseinandersetzung vor Ort?

Medien und Internet liefern viele, auch falsche Bilder und Interpretationen. Wir brauchen mehr denn je einen sicheren inneren Kompass, um uns im Widerstreit der Ideologien zurechtzufinden und uns zu behaupten. Nicht weil wir technisch und moralisch überlegen sind, braucht es IZA. Es sind wir alle, die diese brauchen, um uns der Realität am anderen Ende der Welt auszusetzen und so die Bodenhaftung zu bewahren. Unsere Gelder und Technologien sind der kleine Preis, den wir zahlen. Es sollte uns daran gelegen sein, dass möglichst viele aus unserem Land im Lauf unserer beruflichen Laufbahn wenigstens zwei, drei Jahre weit weg von unserem Dunstkreis in der Ferne mit dem auseinandersetzen, was dort Sache ist.

Verzetteln wir uns!

Damit etwas besser wird, braucht es Vielfalt und Widerspruch. Und zwar hier bei uns. Wir haben zu lange einen undurchsichtigen Apparat weniger Bürokraten und Insider das Thema besetzen lassen, an deren Arbeit und Ergebnissen vielerlei Zweifel möglich und erlaubt sein müssen. Wir sollten lernen, IZA hierzulande auf eine viel breitere gesellschaftliche Basis zu stellen. Mehr Beteiligte, mehr an dringend benötigten Ideen. Es gibt Viele, die bereit wären sich zu engagieren, wenn sie nur Gelegenheit und Anleitung hätten. Beteiligen wir sie, es ist möglich. DEZA & Co. sind nicht der Vatikan, und ihre Experten sind ebensowenig unfehlbar wie der Papst.

Wo bleibt die Debatte?

Wo sind also die Journalisten, die es wagen, weiterzufragen, auch wenn man ihnen bedeutet, Kritik könnte der eigentlich „guten Sache“ schaden? Wo sind die Mitarbeitenden, die nicht aus Angst um ihre Karriere schweigen, wenn sie Unstimmigkeiten und Fehlentwicklungen sehen? Wo sind die Experten, die nicht auf Folgeaufträge schielen, sondern ihrem Auftraggeber klipp und klar zu sagen wagen, wenn ein Projekt nichts taugt? „Tut um Gottes Willen etwas Tapferes!“

Atomisiert die Entwicklungszusammenarbeit!

Am 18. August brachte David Signer in der NZZ einen beachtenswerten Beitrag zur Frage, ob die Entwicklungszusammenarbeit ein „Auslaufmodell“ sei. Heute 22.8. soll das Thema in Zürich auf öffentlichem Podium diskutiert werden.

Der folgende Text war als Leserbeitrag gedacht. Nachdem er nach dreimaligem Einsenden nicht erschienen ist, sei er hier, leicht erweitert, eingestellt:

Nach Jahrzehnten von entwicklungsbezogener Tätigkeit in Afrika, Asien und Lateinamerika muss ich sagen: David Signer bringt mit seinen Analysen und Folgerungen wesentliche Fakten zur Sprache, die zwar nicht neu sind, aber in den vergangenen Jahrzehnten mangels Interesse auf der einen, und wegen ideologisch verengter Sicht auf der anderen Seite zu wenig beachtet worden sind. Mein Beitrag wären zwei Anmerkungen:

Zum einen: Es wäre wichtig, „Entwicklungszusammenarbeit“ (EZA) nicht insgesamt für wertlos zu halten. Zusammenarbeit auf Augenhöhe ist immer wünschbar, gerade auch zwischen Menschen unterschiedlicher Mentalität. Ich würde eher präzisieren, dass es vor allem EZA in der heutigen Form ist, die neu durchdacht werden sollte: Derzeit sind es vor allem staatliche Beamtenapparate (in der Schweiz die DEZA), die in letztlich alt-paternalistischer und oft sehr technokratischer Manier abseits der öffentlichen Debatte entscheiden, was für jene „da unten“ das Beste sei. Wenn man die Branche gut genug kennt, weiss man auch, dass die meisten dieser vermeintlichen Experten eher gelernt haben, wie man innerhalb der Entwicklungsbürokratie vorankommt, als darüber, was die „Zielgruppen“ in den Ländern des Südens bewegt. Insoweit ist diese staatlich-bürokratisch gelenkte EZA in der Tat nicht nur ein Auslaufmodell: Sie hat von Anfang an nie richtig funktioniert.

Erinnern wir uns: „Zusammenarbeit“ findet in erster Linie zwischen Menschen statt, und nicht zwischen Institutionen. Kurz zusammengefasst: Der Ansatz, der mir vorschwebt, müsste dem Rechnung tragen durch Beteiligung breiterer Kreise im „Norden“, also hierzulande, an Tätigkeiten der EZA, dies erst einmal durch die vielen NGOs, die es schon gibt, und dann auch zusätzlicher, die noch zu gründen wären: Sie könnten es sein, die mit persönlichem Engagement vor Ort, in nicht unbedingt „grossem Rahmen“ zusammen mit den Betroffenen individuell und auf die lokalen Verhältnisse zugeschnittene Lösungen erarbeiten könnten. Profitieren würden nicht nur die Partner im Süden, sondern auch unsere Gesellschaft, die sich der konkreten Erfahrung vieler ihrer Mitglieder eines realistischeren Blicks auf „die anderen“ erfreuen könnten. Was auch dem derzeitigen politischen Diskurs etwa zu Rassismus und Migration nur gut tun könnte.

Hätte denn Staat und Bürokratie da noch Aufgaben? Sehr wohl. Zum einen müssten geordnete Geldflüsse gewährleistet sein- eine Aufgabe, die zu den Kernkompetenzen jedes beamtlichen Apparates hgehören sollte. Auch das Erfassen von Erfahrungen zwecks Erfolgskontrolle und Verbesserung könnte dazugehören. Zum anderen aber gibt es sehr wohl Aufgaben, die zwischen höheren Chargen in Partnerstaaten durchaus anzugehen wären: Ich denke da vornehmlich an die Gewährleistung von Rechtssicherheit und, wenn möglich, von stabilen demokratischen oder wenigstens damit kompatiblen Strukturen. Vielleicht auch an einen Mindeststandard an Infrastruktur. Sie wären eine wichtige Voraussetzung für die wirksame Arbeit der vielen kleinen NGOs.

Der zweite Punkt folgt aus einem verbreiteten Glauben, der auch im Artikel durchscheint: Es ist jener, EZA vor allem als „Hilfe“ an ganze „Länder“ mitsamt den jeweiligen Regimes zu verstehen. Niemand wird bestreiten, dass es auch in den ärmsten Ländern eine Art Mittelstand und einige sehr „Reiche“ gibt. Weniger bewusst ist man sich, dass es beispielsweise auch in Schwellenländern krasse Armut gibt. Gerade letztere ist ebenso zu bekämpfen wie jene in den ärmsten Ländern, denn beide sind aus Gründen der Menschlichkeit nicht wünschbar. Und wenn das nicht reicht, dann wären sie auch aus Pragmatismus zu bekämpfen, denn sie sind immer eine Quelle sozialer und politischer Instabilität und damit von Risiken für die ganze Weltgemeinschaft.

Hier plädiere ich für eine Abwendung von der stark auf Länder ausgerichteten zu einer weit mehr auf die Lebensumstände bestimmter Bevölkerungsgruppen ausgerichteten Kooperation, wo immer diese zu finden sind. Dazu gehören sowohl arme Kleinbauern in den Anden Boliviens ebenso wie solche am Stadtrand von Delhi, und Slumbewohner in Sao Paulo genauso wie solche in Ouagadougou.

Atomisiert die Entwicklungshilfe heisst: Öffnet die Tore für kleinere, vorzugsweise von Privaten betriebene Kooperationen ohne bürokratische Zwischenschritte. Die Steuerung müsste durch entsprechende transparente Organe vermittelt und öffentlich einsehbar sein. Die erheblichen öffentlichen Finanzen, die jetzt zu grossen Teilen in ineffizienten Bürokratien versickern, wären gezielter verwendet, und trügen allseits zu Lernprozessen bei. Auch bei uns im „Norden“.

Restrukturierung der DEZA im EDA

Stellungnahme AidRating

In den Medien, zuletzt am Radio SRF, wurden in letzter Zeit mehrfach Befürchtungen laut, dass die DEZA für einen neuen Direktor an Attraktivität verlören, womöglich die Sicht des Südens nicht mehr richtig vertreten könnte, wenn die derzeit laufenden Reformen weitergeführt würden.

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DEZA-Koordinationsbüros in Botschaften intergrieren?

Am 5. Dezember erschien in der NZZ auf Seite 12 ein Beitrag, der die aktuell zur Diskussion stehende Integration der DEZA-Koordinationsbüros in die Vertretungen des EDA betraf:

http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/eda-reform-wirft-fragen-zur-nord-sued-politik-auf-1.18198121

Die Hauptbotschaft des Artikels scheint klar: Durch die Integration der DEZA-Koordinationsbüros (Kobüs) in die Auslandsvertretungen verliere die „Perspektive des Südens“ an Gewicht.

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SRF Echo der Zeit: Kritik an der Deza

echoderzeitWir beobachten die Auftragsvergaben der DEZA seit längerem. Zahlen und Analysen deuten auf mangelnde Transparenz und Begünstigung einzelner Hilfswerke und Privatfirmen:

Nun hat Radio SRF im „Echo der Zeit“ das Thema aufgenommen. Die Erklärungen durch den Hauptbegünstigten Helvetas erscheinen dürftig, jene von DEZA-Direktor Dahinden in sich selber widersprüchlich. Hören Sie sich den Beitrag im Originalton an!

Parlament: neuer Vierjahreskredit Entwicklungshilfe

Ab 4. Juni 2012 debattiert das Schweizer Parlament den neuen Vierjahreskredit für Entwicklungshilfe über Fr 11.35 Mia. Wir meinen: Erhöhen ja, aber verbunden mit klaren Vorgaben in Bezug auf mehr Transparenz, bessere Einbindung in eine echte aussenpolitische Positionierung der Schweiz, und mehr Wirkungsorientierung. Dazu ein Beitrag in unserem Blog, den Sie kommentieren können: IDEAS-Standpunkt zur Schweizer Entwicklungszusammenarbeit.

Bundesrat: Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2013 bis 2016

Die bundesrätliche Botschaft zur Internationalen Zusammenarbeit 2013 bis 2016 mit einem Budget von 11.35 Milliarden ist da. Darin enthalten ist Entwicklungs- wirtschaftliche und humanitäre Zusammenarbeit, aber auch Flüchtlings- und Asylwesen in der Schweiz. Was nirgends drinsteht: Die überfällige Erfüllung der IATI-Transparenzkriterien, versprochen auf Oktober 2011.

Der Nationalrat soll die Botschaft in der Sommersession, der Ständerat in der Herbstsession beraten.

Deza-Direktor Martin Dahinden im DEVEX-Interview

DEZA-Direktor Martin Dahinden (Bild: EU)

DEZA-Direktor Martin Dahinden (Bild: EU)

Was die Öffentlichkeit in der Schweiz nicht weiss, und bisher auf der DEZA-Homepage nicht zu finden ist: Von der DEZA geplante Eckpunkte der Schweizer Entwicklungshilfe in den kommenden vier Jahren (2012 bis 2016).

Interview von DEVEX mit DEZA-Direktor Dahinden (auf Englisch): Was die DEZA vorhat, Dahinden Interview Sneak Peek (PDF) bzw. direkter Link zum Artikel bei DEVEX

Unsere Replik, ebenfalls auf Englisch: Comments AidRating on Dahinden interview bzw. Comments on Dahinden Interview at Devex (PDF)

Beschluss: Entwicklungshilfe-Kredit soll bis 2015 erhöht werden

Am 18. September hat der Ständerat beschlossen, den Entwicklungshilfe-Kredit bis 2015 nun doch auf 0.5% des BSP zu erhöhen.

Hervorragend, finden wir, das Geld wird aufzubringen sein. Das Geschäft geht nun zurück an den Nationalrat.

Aber Geld ist eines, Wirkung und Transparenz sind etwas anderes. Über diese wird zu wenig geredet. AidRating schaut diese beiden näher an, während andere noch eine Weile übers Geld reden!