Kommentar zum NZZ-Kommentar vom 19. Juli
Auch die NZZ hat das neue Transparenzrating TCR5 kommentiert.
http://www.nzz.ch/aktuell/schweiz/entwicklungshilfswerke-im-transparenztest-1.18119180
Es freut uns, dass unsere Arbeit begutachtet wird. Gleichzeitig ist der Artikel ein hervorragendes Beispiel dafür, wie sehr hierzulande alles durch eine lokale Brille betrachtet wird. Ein paar Korrekturen drängen sich auf:
Zunächst wird zusammengefasst, wie das Rating erfolgt und wer welchen Rang bei der Transparenz einnimmt. Solidar als beste, DEZA und Caritas als schlechteste. Dann aber begibt sich der Inlandredaktor auf heikles Terrain. Er behauptet:
„Es versteht sich, dass der Anspruch des Ratings insofern infrage gestellt werden kann, als die Transparenz einer Organisation wohl mehr Aspekte hat, als die verwendete Methode erfasst.“
In der Tat: man achtet in der Schweiz bisher vor allem darauf, wie ein Hilfswerk sich hier bei uns präsentiert, welche Prominenz es mit ihrem Namen ziert, ob die Buchhaltung stimmt. Wozu noch nachfragen, was konkret geschieht und erreicht wird?
Was aber ist wichtiger, die konkrete Arbeit im Ausland, oder ein schöner Auftritt hier in der Schweiz? Wir sagen: Das erstere. Dort spielt die Musik. Wenn bisher niemand hingesehen hat, ist es höchste Zeit, dies zu lernen.
Herr Wehrli sagt auch: Das Publikum ist nicht unbedingt an möglichst viel Information interessiert, Fachleute erhalten Detailangaben wohl auf Anfrage.
Doppeltes Missverständnis, oder dreifaches: Wie weiss er, was genau „das Publikum“ interessiert, wenn es doch noch gar nie eine echte Wahl hatte? Und wer redet von Menge? Wir fordern Inhalt, nicht Menge. Solcher kann auch in knappen Berichten oder gar Listen daherkommen, die das Wichtige enthalten. Gerade DEZA-Berichte sind oft unverdaulich lang, verworren, und voller unnötiger Wiederholungen.
Im übrigen bestreiten wir aus eigener Erfahrung, dass man als Fachperson die gewünschten Angaben bekommt, wie Herr Wehrli hofft. Auch nicht auf Anfrage. Bei vielen Hilfswerken ist dies nur der Fall, wenn man zuvor erst mal „gespendet“ oder sonst wie „freundliche Absichten“ beteuert hat. Bei der DEZA bekamen wir nähere Angaben stets nur über Klagen nach Öffentlichkeitsgesetz, und dann immer wieder zu horrenden „Gebühren“ von mehreren hundert Franken. Auch haben wir erlebt, dass es zu Projekten gar nichts gab- ausser einer Excel-Tabelle mit eine Liste der nächsten angeforderten Millionenbeiträge.
Der Artikel-Text weiter: Auch ist die Beurteilung im Einzelnen nicht unbedingt nachvollziehbar. Die beste Bewertung erhält die Beschreibung eines Solidarprojekts in Nicaragua, die zwar übersichtlich wirkt und auch eine ganze Broschüre über die erste Projektphase umfasst, aber beispielsweise Angaben über das Budget vermissen lässt.
Das klingt wie eine Behauptung von jemand, der die Methodik nicht kennt. Der Einwand ist entsprechend schwach: Auch ohne Budgetzahlen (die in vielen anderen Berichten ebenso fehlen) kann der Rest eines Beschriebes gut sein. Sie sind nur eines von 10 Kriterien. Vergessen zu erwähnen hat Herr Wehrli, dass gerade der erwähnte Bericht von Solidar konkrete Angaben zu den Eigenleistungen der Betroffenen macht. Das kommt bei Schweizer Hilfswerken und DEZA äusserst selten vor.
Der Kommentator hat immerhin nachgelesen. Und tatsächlich: Im Netz steht zu diesem Projekt kein Budget mehr. Wir haben sofort angefragt und von Frau Esther Maurer, Direktorin Solidar, zur Antwort erhalten, der Bericht sei kürzlich „spontan“ aktualisiert worden mit einer neuen Phase ab 2013, ohne diese Zahl. Unsere Downloads erfolgten alle im Jahr 2012. Zu jener Zeit war das Jahresbudget von Fr 193’800.- noch angegeben.
Wie genau über Erfolge und Misserfolge berichtet wird, wäre wohl besonders schwierig zu ermitteln.
Nicht falsch, wenn die Messung von Erfolg oder Misserfolg damit gemeint ist. Aber kein Grund, es nicht zu versuchen. Auf internationaler Ebene liegt zusammen mit Transparenz der Fokus genau hier, bei der „aid effectivenes“. Bei den derzeit üblichen Berichten wird ziemlich schnell klar, wie wenig dazu gesagt wird. Wer die international laufenden Diskussionen kennt, weiss: die Schweiz hinkt auf beiden Gebieten weit hinter den anderen her.
Zum Schluss wird immerhin auch berichtet, dass die Feindseligkeit von vor fünf Jahren langsam einem pragmatischeren Tonfall Platz macht. Und dass AidRating womöglich doch schon etwas bewirkt hat.